Isoleucin: BCAA für Muskelaufbau und was noch?

Auf einen Blick

  • Isoleucin ist bekannt und beliebt im Fitness-Bereich für seinen unterstützenden Effekt auf den Muskelaufbau
  • Manche Aspekte werden jedoch nicht beachtet – darunter der stark insulinogene Effekte von BCAAs wie Isoleucin. So wie Zucker, können manche Aminosäuren unseren Insulinspiegel signifikant anheben. Damit besteht die Gefahr eines Unterzuckers
  • Die Relevanz von Isoleucin für die Blutbildung wurde bei manchen Tieren beobachtet, jedoch am menschen nicht bestätigt
  • Isoleucin hat eine relevante Funktion für den Erhalt einer gesunden Haut
  • Auch mögliche Interaktionen mit dem Mikrobiom sind denkbar, jedoch bis heute schwer zu überprüfen.
BCAAs wie Isoleucin sind bekannt und beliebt unter Athleten

Isoleucin: Wie wichtig ist diese BCAA?

BCAAs (Branched chain amino acids) gelten als bekannte und beliebte Supplemente. Nicht nur in der Fitness-Industrie, sondern auch als therapeutisches Mittel stehen sie gerne zwischen Muskelaufbau, Muskelerhalt und der Vermeidung von Muskelschwund bei manchen Krankheiten. Alle BCAAs gelten als essentielle Aminosäuren und zu ihnen zählen Valin, Lysin, Leucin und Isoleucin. Doch warum sind sie essentiell und was macht die jeweiligen Aminosäuren besonders? Wofür braucht der Körper Isoleucin?

Isoleucin: Wirkung auf Muskelaufbau und Blutbildung

Generell stimmt es, dass Isoleucin – wie andere BCAAs – aufbauende Signale und Funktionen für unseren Körper zum Aufbau von neuem Gewebe erfüllt. BCAAs sind bekannt dafür, einen starken Effekt via mTOR auf Muskelaufbau und Wachstum zu haben und alleine deswegen werden sie gerne in unterschiedlichen Situationen wie Leistungssport und Bodybuilding als Supplement genommen.

Isoleucin war als limitierender Faktor für die Bildung von Hämoglobin bekannt. Bei Mäusen wurde beobachtet, dass diese kleinen Nager Isoleucin für die Produktion von roten Blutkörperchen benötigten und eine direkte Verbindung zum Menschen ließ nicht lange auf sich warten. Bis man feststellte, dass diese Eigenschaften spezifisch bei Mäusen bzw. Nagern war und bei Menschen (und anderen größeren Säugetieren) gar nicht notwendig schien [1,2].

Among essential amino-acids, the role of isoleucine in haematopoiesis is specially interesting, because, despite its absence in ox, human and horse globin (Brand & Grantham, 1946), this amino-acid has been shown to be essential for haemoglobin formation in weanling rats by Orten and collaborators (Orten, Orten & Bourque, 1945; Orten, Bourque & Orten, 1945). […] Injected isoleucine was utilized for haemopoiesis, but was less effective than isoleucine administered by mouth. [Studie]

Interessant war dabei die Beobachtung bei Mäusen, dass eine direkte Injektion in den Blutkreislauf einen geringeren Effekt zu haben schien, als die orale Verabreichung über die Nahrung. Spielt hier also der Verdauungstrakt möglicherweise eine Rolle? Behalten wir das vorerst mal im Hinterkopf. Zuerst gibt es noch eine weitere berühmte Eigenschaft von Isoleucin und die bezieht sich auf unseren Blutzuckerspiegel und Insulin.

Isoleucin: Wirkung auf Blutzucker und Insulin

Gut bekannt ist, dass Isoleucin einen starken Effekt auf den Blutzucker im Körper hat, indem es Glukose aus dem Blut in Zellen schleust, oder besser gesagt dabei unterstützt (und dadurch vermutlich auch seine anabole Wirkung erzielt) [3,4]. Eine solche Eigenschaft mag auf den ersten Blick durchaus vielversprechend klingen, denn ein erhöhter Blutzucker lässt einen in Bezug auf viele Erkrankungen des Stoffwechsels wie beispielsweise Diabetes Mellitus Typ 2 die Ohren spitzen. Auch wenn einige Studien zwar behaupten, dass dieser Eigenschaften von Isoleucin insulin-unabhängig ablaufen [5], wurde diese Vermutung bereits durch weitere Experimente widerlegt.

A significant rise in plasma immunoreactive insulin (plasma IRI) occurred in the femoral artery upon infusion of isoleucine. A slight but delayed fall in arterial blood sugar concentration was shown after the first infusion of leucine. The results indicate that there is a difference between leucine and isoleucine in their capacity to stimulate release of glucagon despite a similar magnitude of insulin releasing potency, and suggest that these essential L—amino acids infused intrapancreatically are capable of stimulating insulin secretion, not through the sole mediation of secretion of glucagon, but directly. [Studie]

Wenn jedoch Isoleucin den Insulinspiegel ansteigen lässt und dadurch den Blutzucker reduziert, kann es als Reaktion bei einem zu niedrigen Blutzuckerspiegel zu einer Ausschüttung von Stresshormonen wie Cortisol kommen und damit auch entzündliche Prozesse, die damit in Verbindung stehen können, antreiben. Daher sollte man sich gut überlegen, ob man Isoleucin – vor allem in höheren Dosierungen – sich zuführen möchte. Zumindest gibt es eine große Anzahl an Studien, die eine erhöhte Einnahme von BCAAs mit Symptomen wie Insulin-Resistenz in Verbindung bringen konnten [6].

Oft wird vergessen, dass Aminosäuren eine ähnliche Wirkung wie Zucker auf unseren Insulinspiegel haben können

Die Dosis macht hier jedoch vermutlich das Gift. Allein, da BCAAs mit anderen Aminosäuren – den sogenannten aromatischen Aminosäuren (AAA) Phenylalanin, Tyrosin, Tryptophan etc – in einer Art Konkurrenz zueinander stehen und dadurch beispielsweise die ausreichende Produktion von Neurotransmittern wie Dopamin, Serotonin usw. beeinflussen. Eine andere Möglichkeit wäre jedoch auch, dass Isoleucin mit den Bakterien unseres Verdauungstraktes etwas zu tun haben könnte. Schließlich hatten wir schon bei den Mäusen und zum Thema der Blutbildung beobachten können, dass die orale Verabreichung bessere Effekte erzielen konnte, als sogar eine direkte Injektion in den Blutkreislauf.

Isoleucin: Futter für Bakterien?

Es gibt viele Studien zu der Verstoffwechselung unterschiedlicher Aminosäuren durch Bakterien. Da sie jedoch häufig sehr selektiv sind, ist es schwer, klare Aussagen zu treffen. Oft werden einzelne Bakterienstämme und bestimmte einzelne Substrate in direktem Zusammenhang untersucht, was einem eigentlich erstaunlich wenig über den biologischen Bazar im Bauch erklären kann. Beobachtet wurde jedoch, dass Isoleucin durch Bakterien, die wir im Darm tragen, verstoffwechselt werden kann [7]. Dabei kann aus Isoleucin beispielsweise L-Threonin produziert werden, welches wiederum mit weiteren Stoffen zu anderen Endprodukten reagieren kann.

On the other hand, if l-isoleucine was bound to site B, the affinity of the enzyme for l-threonine at site A was decreased, and the enzymes’ activity was diminished. These remarkable observations led to the initial proposal of allosteric regulation.8 Numerous studies have confirmed the sigmoidal initial velocity kinetics of the reaction as a function of l-threonine [Studie]

Durch die Reduktion eines Verbrauchs von anderen Aminosäuren, können genauso (indirekte) positive Effekte erzielt werden, wie durch eine direkte Einwirkung von Aminosäuren selbst. Dieser Bereich – also die Verstoffwechselung von Aminosäuren im Darm unter Einwirkung vieler verschiedener Stämme – ist sicherlich interessant. Bis heute lässt sich jedoch wenig darüber sagen, außer dass es eine Rolle zu spielen scheint. Alles andere wäre bis dato wahrscheinlich stark anzweifelbar und unseriös, aufgrund der hohen Vielfalt und Individualität im Darm eines jeden einzelnen Menschen. Denkbar wären beispielsweise Effekte auf den Ammoniak-Haushalt und die Verstoffwechselung von Glutamat zu Glutamin durch Isoleucin und weitere Aminosäuren im Darm [8]. Sollte hier sich Isoleucin als unterstützender Faktor entpuppen, hätte sie möglicherweise ihren Platz in Darmsanierungen, direkt neben Valin!

Isoleucin ist wichtig für eine gesunde Haut

Isoleucin: Beobachtungen bei Mangel und Bedarf

Tja! Unbekannte Effekte im Darm, eine Anhebung des Insulinspiegels und eine fragliche Einwirkung auf die körpereigene Blutbildung (außer, wenn man rattig wäre…). Warum sollte eine solche Aminosäure also essentiell oder wichtig sein? Beobachtung zufolge scheint Isoleucin wichtige und spezifische Aufgaben bei dem Aufbau und Erhalt von Hautgewebe zu erfüllen.

The second patient, a female infant deficient in leucine as a result of a leucine-restricted diet, did not develop a dermatosis. Isoleucine is essential for normal growth and differentiation of keratinocytes and enterocytes. Deficiency of isoleucine, and not leucine or an imbalance in the leucine/isoleucine ratio, may result in an acrodermatitis enteropathica-like syndrome. [Studie]

Das macht Isoleucin wohl doch in einer gewissen Weise essentiell, jedoch nicht unbedingt zu einer spezifischen Aminosäure, die so weitläufige und therapeutische Eigenschaften haben kann wie Beta-Alanin, Valin oder manche aromatische Aminosäuren. Der tägliche Bedarf beträgt in etwa 15-20 mg/kg Körpergewicht und bestände damit bei einem Menschen von 70 Kilogramm aus etwa 1-1,5 Gramm an Isoleucin täglich. Ein solcher Bedarf wäre mit etwa 100-200 Gramm Fleisch, Fisch oder Milchprodukten am Tag zu decken und sollte damit keine großen Probleme darstellen. Selbst viele vegane Nahrungsmittel enthalten in der Regel ausreichend Isoleucin, um diesen Bedarf jeden Tag decken zu können (Beispiel: Hülsenfrüchte). Zuletzt gibt es noch eine Krankheit mit dem Namen “Ahornsirupkrankheit“, bei der Patienten als einen Effekt konstant BCAAs durch den Urin verlieren und bei denen konstant eine Mixtur von allen drei BCAAs kontrolliert verabreicht werden muss, um langfristige Schäden eines Mangels zu vermeiden. Hierbei handelt es sich jedoch laut laufender Literatur um einen spezifischen genetischen Defekt und viele positive Eigenschaften therapeutischer Anwendungen von BCAAs werden spezifisch der Aminosäure Valin zugeschrieben, oder aber der Mixtur aus allen drei Aminosäuren zusammen [9].

Quellenangabe:

  1. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC1197518/pdf/biochemj00915-0152.pdf
  2. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK224292/
  3. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/14651987
  4. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/16140883
  5. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/17299083
  6. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/29281182
  7. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC1269753/?page=1
  8. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/23756281
  9. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/1437974