Was macht Aminosäuren essentiell?

Flexibel und fest zugleich. Welche Aminosäuren sind wichtig?

Aminosäuren können in einer L- oder D-Form vorliegen. L und D sind dabei ein Zeichen für eine strukturelle Feinheit im Aufbau. In der Regel ist die natürliche Version einer Aminosäure die L-Form, da Enzyme spezifisch mit dem damit verbundenen Gerüst interagieren können. Wird in einem Artikel also generell von Aminosäuren gesprochen, kann man davon ausgehen, dass es sich dabei um die L-Formen dreht handelt.

Bezeichnungen in Wissenschaft und Ernährung können manchmal irreführend sein. Hören wir das Wort “essentiell“, verbinden wir damit etwas Wichtiges – etwas Essentielles. Auf die Frage hin, welche Aminosäuren wohl für unsere Gesundheit von großer Bedeutung wären, würden die meisten sich wohl auf diese speziellen Proteinbausteine beziehen. Oft genug liest man in Artikeln auf unterschiedlichen Webseiten etwas über essentielle Fettsäuren oder Aminosäuren, die auf ihre besondere Art und Weise unserem Körper beeinflussen können. Doch was bedeutet es eigentlich für eine Aminosäure, wenn sie als essentiell, semi-essentiell oder nicht essentiell bezeichnet wird – und vor allem – ist diese Darstellung vielleicht irreführend?

Was wir bauen und was wir brauchen

Als essentiell gelten in der Regel Stoffe, die unser Körper nicht von selber herstellen kann. Zu solchen Substanzen gehören auch bestimmte Aminosäuren: Einige essentielle Aminosäuren:

Wenn wir selbst eine Aminosäure nicht herstellen können bedeutet nicht, dass wir sie notgedrungen von außen brauchen und auf sie angewiesen sind. Es bedeutet lediglich, dass wir sie nicht selber produzieren können! Das mag simpel klingen, doch genau dieser Punkt sorgt jedoch anscheinend für reichlich Verwirrung. Um diese Punkt zu verdeutlichen könnte man auch überspitzt formuliert Gift- oder Ballaststoffe als essentiell bezeichnen, da wir sie uns von außen zuführen müssen.

Erstellt man im Gegenzug eine Liste mit Aminosäuren, die eine essentielle Rolle für unsere Gesundheit spielen, würde diese Aufstellung wohl anders aussehen. Ein gutes Beispiel sind dabei unter anderem sogenannte semi-essentielle Aminosäuren. Semi-essentiell bedeutet, dass wir zwar eine gewisse Menge einer solchen Aminosäuren von selbst bauen können, jedoch bei erhöhtem Bedarf einer solche Nachfrage nicht mehr hinterher kommen und auf eine Zufuhr von außen angewiesen sind. Anders gesagt bedeutet das aber, dass genau diese Aminosäuren für uns gesundheitlich von Relevanz sein könnten – also essentiell sind – sollten wir beispielsweise unter Stress leiden, schwer trainieren, uns verletzen oder krank werden. Außerdem sollte man davon ausgehen, dass wir die wirklich wichtigen Aminosäuren zumindest zu einem gewissen Grad im Körper herstellen können – schlichtweg, weil sie so wichtig sind. Um das besser zu verstehen können wir zwei Beispiele heranziehen: Methionin und Glycin.

Der Einfluss von Aminosäuren auf unsere Gesundheit

Liest man Studien zu den Effekten einzelner Aminosäuren, wird einem erst deutlich, wie sehr uns eigentlich unsere Ernährung beeinflusst! Wenige Gramm täglich einer Aminosäure reichen aus, um uns einen starken Schritt in Richtung Entspannung, Gesundheit, Leistungsfähigkeit, Stressresistenz, oder aber in Richtung Ermüdung, Entzündung und Belastung zu treiben. Fast schon gleichen damit unsere täglichen Mahlzeiten einem alchemistischen Schlachtfeld aus Substanzen, die uns richtig kombiniert einen mächtigen Rückenwind für unseren Alltag schenken können. Gut, dass in den meisten Fällen unser Körper von selber weiß, was er wo gebrauchen kann. Deine Nahrung sei dein Medikament und dein Medikament sei deine Nahrung!“ Hippokrates schien sich bereits über einen solchen Einfluss bewusst gewesen zu sein. In der heutigen Zeit gibt es genug künstliche Zusätze, Schwermetalle und weitere tendenzielle Toxine, die aus einem ursprünglichen Nährwert einen Krisenherd brauen können. Je mehr wir unter solchen Stoffen leiden, desto mehr ist unser Körper dankbar für jede Hilfe, die er kriegen kann. Liegen wir krank im Bett, freuen wir uns über eine dampfende Hühnerbrühe. Haben wir uns gerade sportlich völlig verausgabt, sind leicht verdauliche, reichhaltige Nahrungsmittel wahrscheinlich besser geeignet. Damit wird also deutlich, dass es viele Umstände und Situationen gibt, die unterschiedliche Substanzen “essentiell“ erscheinen lassen können. Wir brauchen mehr von ihnen, um uns besser zu erholen und wieder fit im Alltag zu stehen.

Medizin kann auch ganz anders aussehen

Ein solches Bild aus einer Studie zu den Funktionen von unterschiedlichen Aminosäuren macht deutlich, wie vielseitig unser Körper diese kleinen Bausteine verwenden kann. Vor allem für die Produktion von neuen Zellen sind Aminosäuren bekannt. Straffe Haut, festes Bindegewebe, starke Muskeln und Knochen haben viel mit einer gesunden Versorgung mit den “richtigen“ Aminosäuren zu tun. Kollagen ist nicht nur im Bereich der Kosmetik seit vielen Jahren ein Wort, das mit Anti-Aging und einem gepflegten Hautbild einhergeht. Das, was unser Körper braucht, um selber ein stabiles Netzwerk aus Kollagen bzw. Bindegewebe aufzubauen, sind Aminosäuren. Nur, um das anhand einer einzigen Aminosäure etwas zu verdeutlichen: Generally for growing human body or for other mammals, 80% of the whole body glycine is used for protein synthesis. In collagen, glycine is located at every third position; glycine residues bring together the triple helix of the collagen. The flexibility of active sites in enzymes is provided by glycine [5]. In central nervous system, glycine plays a crucial role as neurotransmitter, thereby controlling intake of food, behavior, and complete body homeostasis [6]. Glycine regulates the immune function, production of superoxide, and synthesis of cytokines by altering the intracellular Ca2+ levels [7]. The conjugation of bile acids in humans and pigs is facilitated by glycine; thereby glycine indirectly plays a crucial role in absorption and digestion of lipid soluble vitamins and lipids. RNA, DNA, creatine, serine, and haem are generated by several pathways which utilize glycine. Collectively, glycine has crucial function in cytoprotection, immune response, growth, development, metabolism, and survival of humans and many other mammals. [Studie] Glycin ist wirklich ein Paradebeispiel für eine absolut essentiell wichtige Aminosäure – obwohl sie als nicht- bzw. bestenfalls semi-essentielle Aminosäure bezeichnet wird. Erstaunlicherweise wissen nur sehr wenige, dass wir heutzutage oftmals einen Mangel an Glycin haben. Glycin findet sich vor allem in Haut, Knochen, Bändern und Sehnen unserer Nahrungsmittel und die landen (leider) nur noch selten auf unserem Teller. Wir finden also Glycin genau dort, wo wir es selbst in unserem Körper brauchen und haben wollen. In diesem Artikel wird unter anderem beschrieben, wie Glycin auf mehreren Ebenen nicht nur zuständig ist für festes Bindegewebe und gesunde Faszien. Unter anderem zeigten Studien einen schützen Effekt vor bakteriellen Darmbelastungen. Für Menschen mit Reizdarm, Colitis Ulcerosa oder Morbus Crohn sind solche Informationen durchaus essentiell, oder?

Sind Antioxidantien wirklich immer so gut?

Glycine neither decreased mortality nor beneficially affected vital parameters (e.g., mean arterial blood pressure and breathing rate), electrolytes, blood gases including pH and base excess, and plasma parameters of tissue injury such as lactate concentration, hemolysis, and aminotransferases activities during experimental endotoxemia. It, however, specifically diminished the LPS-induced small intestinal injury, as indicated by less intestinal accumulation of blood, less intestinal hemorrhages, and reduced intestinal hemoglobin content. [Studie] Aber auch ohne seine Wirkung auf den Darm scheint Glycin wichtig für unseren Körper zu sein. Da Glycin vor allem in kollagenhaltigen Nahrungsmitteln wie Haut, Knochen und Ähnlichen enthalten sind, kann es recht leicht zu einem Mangel kommen. Während früher Tiere mit “Haut und Haaren“ verzehrt wurden, finden sich heute auf den meisten Tellern nur das Rote vom Fleisch. Schade eigentlich, denn Glycin kann unter anderem dabei helfen, sich wieder entspannen zu können. Bei einigen Untersuchungen zeigte sich, dass Glycin unsere Zellen wieder in einen Ruhezustand bringen kann, nachdem sie durch Stress oder andere Arten der Belastung stimuliert wurden [1,2]. Daher ist Glycin – obwohl wir sie zu einem Teil selber herstellen können – sowohl für Athleten, Darm-Patienten oder gestresste Menschen mit hoher Wahrscheinlichkeit “essentieller“ als folgende essentielle Aminosäure. Während Methionin unter der Kategorie der essentiellen Aminosäuren zu finden ist, sind Studien zu ihr eher negativ. Wurde Tieren spezifisch Methionin vorenthalten, zeigte sich eine deutliche Verbesserung ihrer Lebensdauer und ihres Stoffwechsels. Met restriction resulted in a 42% increase in mean and 44% increase in maximum life span, and in 43% lower body weight compared to controls (P < 0.001). Increases in blood GSH levels of 81% and 164% were observed in mature and old Met-restricted animals, respectively (P < 0.001). [Studie]

Methionin ist bekannt als starker Radikalfänger [3]. Stehen Zellmembranen unter oxidativem Beschuss, ist Methionin ein wunderbares Mittel, um vor Prozessen wie der sogenannten Lipidperoxidation (der Oxidation von Zellmembranen) zu schützen. Wie kann es also sein, dass so ein wertvoller Stoff mit Gewichtszunahme und Alterung zu tun hat? Antioxidantien führen noch immer den Ruf mit sich, generell für uns gesund und wichtig zu sein. Dabei sollte man jedoch nicht vergessen, dass Antioxidantien selber bei einer solchen Aktion oxidieren und im Anschluss oxidativ wirken. Wird Methionin oxidiert, braucht es jedoch spezifische Enzyme, damit Methionin wieder reduziert vorliegt. Die damit verbundenen Reaktionen hemmen jedoch die Produktion von Schilddrüsenhormonen wie T3 [4,5]. Anders gesagt hemmt damit Methionin – vor allem unter Belastung – unsere Fähigkeit, effektiv Energie zu produzieren. Damit sind Ergebnisse, wie die aus der oben zitierten Studie recht gut nachvollziehbar. Da Methionin so ziemlich in allen eiweißhaltigen Nahrungsmitteln in gewissen Mengen zu finden ist, können wir uns wohl ein wenig glücklich schätzen, dass wir von außen auf sie “angewiesen“ sind. Damit sollte wohl etwas deutlicher werden, was “essentiell“ bei Aminosäuren bedeutet. Zwar müssen wir sie, wenn wir sie denn haben wollen, von außen zuführen – wichtig sind aber unter anderem andere Baustoffe. Auf dieser Seite haben wir aus diesem Grund versucht, Aminosäuren aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Außerdem ist hier zu lesen, ob es sinnvoller ist, freie Aminosäuren oder lieber Peptid-Verbindungen zu sich zu nehmen.

Quellenangabe:

  1. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/12589194
  2. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/12450897
  3. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2630790/
  4. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/29978874
  5. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/15680221