Kälte, Stoffwechsel, Fettverbrennung und Stress

Auf einen Blick:

  • Kälte ist ein uralter Stimulus, den unser Körper seit Jahr Millionen kennt
  • Kälte hat viele positive Effekte, darunter ein massiv erhöhter Stoffwechsel
  • In Studien wurde nach Kälte-Anwendungen eine Anhebung der basalen metabolen Rate um das 4 bis 5-fache beschrieben
  • Voraussetzung ist aber eine kluge Adaption und die Fähigkeit des Körpers, mit diesem Stressor umzugehen. Ist der Körper Herr der Lage, wurde selbst bei Erkrankungen wie Asthma, Fibromyalgie und Rheuma eine deutliche Verbesserung der Symptome berichtet
  • Sind wir bereits überstimuliert und belastet an bestimmten Tagen, sollte man Kälte, Kältethermogenese und andere reizstarke Werkzeuge mit Vorsicht genießen
  • Vor allem bei Herzbeschwerden und gesundheitlichen Einschränkungen ist – wenn überhaupt – eine langsame Adaption der beste Weg zum Ziel
Stoffwechsel hin oder her - wer friert schon gerne?

In der heutigen Zeit haben wir mit vielem zu kämpfen und bevor auch nur ein Wort über effektives Bibbern und kalte Füße verloren wird, muss klar und deutlich vor Kälte “gewarnt“ werden. Kälte, selbst als therapeutisches Mittel und vielfältiges Werkzeug mit einer langen Liste an positiven Effekten, ist und bleibt in allererster Linie ein Stressor für den Körper. Leidet jemand unter viel Belastung, oder zeigt andere Signale einer gesundheitlichen Einschränkung – vor allem Herzprobleme – sollte Kälte, wenn überhaupt mit Vorsicht und langsamer individueller Adaption genossen werden. Wer dazu mehr wissen möchte und Kälte praktisch und einfach in seinen Alltag als Mittel einsetzen möchte, kann (hier weiterlesen). Zuerst gibt es aber eine wichtige Frage zu beantworten:

Warum sollte man sich Kälte überhaupt antun?

Sicher, ein warmes Kaminfeuer, eine kuschelige Decke und ein heißer Tee haben ihren Reiz. Viele Menschen würden ungern einen solch angenehmen Ort gegen einen flotten Sprung in einen eiskalten Bach austauschen. Doch sollte man nie vergessen, dass der Mensch sich seit Millionen von Jahren an Kälte, mit all seinen natürlichen und zum Teil extrem beeindruckenden Effekten, gewöhnt hat. Kälte Thermogenese, Kryotherapie und andere Methoden hießen schließlich früher einmal Winter, bevor sie cool wurden. Abgesehen von den hier dargestellten Effekten, sind in (diesem Artikel) noch einige spannende Informationen rund um Kälte als körpereigener Zeitgeber und seine Wirkungen auf Melatonin und vieles mehr zu finden. Klug eingesetzt hilft Kälte beim Einschlafen und bringt viele Hormone, die unter anderem stark auf unseren Stoffwechsel wirken auf Vordermann! Wo wir gerade beim Stoffwechsel sind. Schon mal von braunem Fettgewebe gehört?

Wenn wir mit den Zähnen klappern, unseren Körper warm-reiben und am ganzen Körper zittern, versucht unser Körper durch Muskelkontraktionen und Reibung Wärme zu produzieren. Viele kennen das Gefühl und kaum jemand erlebt es gerne. Mit Recht, denn diese Art zu frieren ist recht ineffizient und ineffektiv [1] Für viel Anstrengung und wenige produzierte Wärme setzen wir unseren Körper unter Druck und leiden. Die Bezeichnung “Stressor“ lässt sich hier sehr einfach finden. Doch neben dem bibbernden Zähnefletschen gibt es noch eine andere Möglichkeit, bei der wir Körperfett mit einer beeindruckenden Rate verbrennen und sprichwörtlich intern anfangen zu glühen!

Macht dem Körper die kalte Jahreszeit kaum noch etwas aus, hat er sich adaptiert. Oft genug sieht man Menschen in leichter Kleidung sichtlich unberührt vom Wetter in manchen nördlichen Regionen durch die Straßen laufen. In ihrem Körper hat sich etwas entwickelt, was sich braunes Fettgewebe (BAT) nennt [2]. Braun ist es, weil die Fettzellen bis zum Rand voll sind mit unseren berühmten Kernkraftwerken – den Mitochondrien – die unerlässlich Energie in Wärme, bzw. infrarotes Licht umwandeln. Verantwortlich dafür ist etwas, was sich UCP-1 (uncoupling protein 1) nennt. Statt aus Nahrung und unseren Körperfettspeichern ATP zu produzieren, wandern die dafür benötigten Protonen des Energie-Fließbandes innerhalb der Mitochondrien zu UCP-1. Die damit produzierte Energie strömt von den Zellen in die Umgebung und beheizt den gesamten Körper. Doch wie effizient ist dieser Stoffwechsel?

To differentiate between the effect of cold and hydrostatic pressure on hormone and cardiovascular functions of man, a group of young men was examined during 1-h head-out immersions in water of different temperatures (32 degrees C, 20 degrees C and 14 degrees C). Immersion in water at 32 degrees C did not change rectal temperature and metabolic rate, but lowered heart rate (by 15%) and systolic and diastolic blood pressures (by 11 %, or 12%, respectively), compared to controls at ambient air temperature. Plasma renin activity, plasma cortisol and aldosterone concentrations were also lowered (by 46%, 34%, and 17%, respectively), while diuresis was increased by 107%. Immersion at 20 degrees C induced a similar decrease in plasma renin activity, heart rate and systolic and diastolic blood pressures as immersion at thermoneutrality, in spite of lowered rectal temperature and an increased metabolic rate by 93%. Plasma cortisol concentrations tended to decrease, while plasma aldosterone concentration was unchanged. Diuresis was increased by 89%. No significant differences in changes in diuresis, plasma renin activity and aldosterone concentration compared to subjects immersed to 32 degrees C were observed. Cold water immersion (14 degrees C) lowered rectal temperature and increased metabolic rate (by 350%), heart rate and systolic and diastolic blood pressure (by 5%, 7%, and 8%, respectively). Plasma noradrenaline and dopamine concentrations were increased by 530% and by 250% respectively, while diuresis increased by 163% (more than at 32 degrees C)[Studie]

Während Wasser von etwa 20°C zu einem leichten Frösteln führt und den Stoffwechsel selbst einige Stunden nach der Kaltwasser-Anwendung verdoppelt (das ist bereits beachtlich), schießt bei etwa 14°C die metabole Rate steil nach oben! Plötzlich verbrennen die Anwender das 4-5-fache ihres regulären Bedarfs an Energie und der erhöhte Stoffwechsel bleibt für einige Stunden weiter angehoben! Um sich das grob vorzustellen: 2000Kcal x 4,5 = 9000 Kcal an Tagesbedarf, würde man den gesamten Tag über still im Wasser sitzen. Einen solchen massiven Effekt findet man sonst selten.

Interessant: Kleinkinder haben besonders viel braunes Fettgewebe

Ein Mehr an Mitochondrien ist aber nicht nur für den Stoffwechsel gut [3]. Ist unser Körper dazu in der Lage, mehr Energie zu produzieren und sich damit gut zu versorgen, hat das ebenfalls einen positiven Einfluss auf einige Krankheiten. So wurden in einer weiteren Studie Menschen im Winter in den See geschickt, um dort ihre Runden zu schwimmen. Das ungewohnt fiese Frieren sorgte prompt für Schaden. Zu Beginn zeigten alle Teilnehmer signifikant erhöhte Erschöpfung, Erkältung und Unwohlsein. Doch nach einer Tortur von 4 Monaten – Respekt an die zähen Teilnehmer – zeigten sie sich energiegeladener, aktiv und kräftiger, als ihre Kontrollgruppen. Interessant war jedoch vor allem eine deutliche Reduktion der Schmerzen und Symptome von Schwimmern mit Fibromyalgie, Asthma und Rheuma! [4]

After four months, the swimmers felt themselves to be more energetic, active and brisk than the controls. Vigour-activity scores were significantly greater (p < 0.05). All swimmers who suffered from rheumatism, fibromyalgia, or asthma, reported that winter swimming had relieved pains.

Doch bevor wir in Teil 2 über das Immunsystem, Reduktion entzündlicher Belastung und hormonelle Veränderung sprechen, braucht Kälte erst noch seinen Kontext als Stressor. Denn genau diese Studie ist ein Paradebeispiel für Stress, Belastung, Adaption und Optimierung des Körpers.

Erinnern wir uns an die klappernden Zähne und die glühenden Mitochondrien zu Beginn dieses Artikels. Kälte hat viel damit zu tun, wie gut wir daran gewöhnt sind – also beispielsweise, wieviel braunes Fettgewebe wir besitzen – und wie sehr wir tagtäglich unter Belastung stehen. Ein schlechter Schlaf, ein anstrengender Arbeitstag, hormonelle Dysfunktionen und Ernährung können dabei beispielsweise eine Rolle spielen. Ist unser persönliches Stress-Limit erreicht, kann ein Sprung ins kalte Nass genau das Falsche sein und wir fühlen uns im Anschluss elend. Ganz davon zu schweigen, dass zwei weitere Ergebnisse aus zitierten Quellen von oben sehr aussagekräftig sind: Dopamin und Noradrenalin stiegen bei 14°C um 250% und 530% an. Beides sind Neurotransmitter, die viel mit (zum Teil positiver) Stimulation und Aufregung zu tun haben. Um 530% erhöhte Werte von Noradrenalin sind jedoch auch eine Kontraindikation. Laut Wikipedia ist die künstliche Verabreichung von Noradrenalin untersagt bei Menschen mit:

 

Während man Bluthochdruck sehen kann, wie man möchte (ein erhöhter Stoffwechsel kann auch den Blutdruck anheben [5]), lässt sich klar sagen, dass zu viel Aufregung nicht gut für das Herz ist.

Hatten wir eine lange Nacht, leidet der Tag danach. Blutuntersuchungen nach Schlafmangel waren in einigen Studien vergleichbar gewesen mit Anzeichen eines metabolischen Syndroms [6,7]. Kälte ist eine Belastung, bei der viel Energie aufgewendet wird. Unser Körper muss aber auch dazu in der Lage sein! Ist die Nachfrage nach Energie geringer als unsere Produktion, stehen wir unter Stress. Wir fühlen uns schrecklich, produzieren eine große Menge an schädlichen Signalen und genau das soll vermieden werden. Kälte kann ein belebendes Erlebnis sein! Wenn es jedoch um Hormone geht, ist die ganze Sache etwas komplexer. Eine Schilddrüsenunterfunktion oder Östrogendominanz sind zwei hormonelle Dysfunktionen die eine Adaption an Kälte schwerer machen. Zwar stimuliert Kälte im Alleingang die Produktion von Schilddrüsenhormonen, selbst wenn wir keine Schilddrüse selbst mehr besitzen [8,9], doch braucht eine erschöpfte Schilddrüse länger, um dem Energiebedarf gerecht zu werden. Östrogendominanz hat mehr mit der Wahrnehmung von Stress zu tun und besitzen wir – allen voran Frauen – zu viel davon, können Stressoren im Generellen leichter dem Körper schaden [10]. Ganz klar: Kälte braucht Energie und einen ruhigen Umgang, damit sie ihre Wunder wirken kann. Mehr über eine kluge Adaption ist hier zu lesen.

Zuletzt noch ein Beispiel zur Ernährung und Kälte: Ein Zuviel an Omega-6-Fettsäuren im Körper führt zu entzündlichen Reaktionen durch Kälte. Aufgrund der hohen Belastung der Mitochondrien, kann es durch eine hohe Menge an Omega-6-Fettsäuren in den Zellmembranen zu entzündlichen Prozessen und Hautekzemen kommen [11]. Wichtig ist vorher, seine Ernährung ausreichend mit Omega-3-Fettsäuren durch hochwertigen Fisch oder Supplemente zu balancieren. Kein Wunder, dass Fische so voll davon sind. Für sie ist Eisbaden Alltag. Ekzeme der Haut sind auch gerne ein Zeichen für ein dysfunktionales oder überaggressives Immunsystem [12]. Dazu aber mehr in Teil 2!

Quellenangabe:

  1. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/m/pubmed/28944268/
  2. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3051412/
  3. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3951182/
  4. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/15253480
  5. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/18470897
  6. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/16459757
  7. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2929498/
  8. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3413410/
  9. https://www.tandfonline.com/doi/pdf/10.3402/ijch.v61i3.17474
  10. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3374589/
  11. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/m/pubmed/2794222/
  12. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/1444507