Kälte, Biorhythmus und unsere Gesundheit

Auf einen Blick:

  • Kälte ist seit dem 18ten Jahrhundert wissenschaftlich bekannt als Zeitgeber
  • Unsere Körperkerntemperatur besitzt einen natürlichen Rhythmus, der nur leicht (aber signifikant) durch Aktivität und Ruhe beeinflusst werden kann
  • Gesteuert wird alles durch einen Teil im Hypothalamus und durch die Epiphyse mitsamt der Hormon Melatonin
  • Bei Schichtarbeit und Jetlags brauchen wir bis zu 7 Tage, um uns an die Situation einigermaßen zu adaptieren
  • Vor allem bei älteren Menschen und Neugeborenen ist ein artgerechter Umgang mit Temperatur sinnvoll
  • Kühle Schlafzimmer sorgen für einen besseren Schlaf, doch sollten wir keine kalten Füße bekommen, eine warme Decke verwenden und uns wohl fühlen. Stress schadet jedem Schlaf
  • Gestresste Menschen sollten auch nicht mit knurrendem Magen schlafen gehen – unabhängig von Ernährungsempfehlungen
Kälte und Biorhythmus: Zwei eng verbundene Elemente

Auch wenn der Umgang mit Kälte als Zeitgeber, Eisbäder und Kryokammern in den letzten Jahren wieder mehr Beachtung bekommen hat, ist die Forschung über die Körpertemperatur zu bestimmten Tageszeiten und ihren möglichen Effekten eine alte Geschichte. Sogar sehr alt! Eine Studie konnte nachweisen, dass bereits um 1736 die ersten Untersuchungen zu Kälte und unserem Biorhythmus aufgestellt wurden [1]. Natürlich haben wir seitdem deutlich bessere Werkzeuge, die uns dabei helfen, Regulatoren zu finden, Besonderheiten zu erkennen und das Ganze ein bisschen praktischer anzugehen. Studien weisen schließlich immer mehr darauf hin, dass ein Körper, der abgestimmt auf sein Umfeld lebt, mehr Gesundheitsqualität erwarten kann. Das Thema lohnt sich also!

Die normale Temperatur-Uhr in unserem Körper verläuft recht einfach [2]. Einige Stunden, bevor wir aus unserem Schlaf aufwachen, fängt unsere endogene (innere) Thermoregulation langsam an die Öfen des Körpers hochzufahren. Unsere Energieproduktion steigt an, wir wachen auf und mit der steigenden Wärme beginnen wir aktiver zu werden. Bei Menschen, die um etwa 7 Uhr in der Früh aufstehen, steigt die Temperatur bis etwa 20 Uhr an und sinkt dann wieder kontinuierlich ab. Dabei haben wir Temperaturunterschiede von bis zu einem Grad Celsius (4 Uhr morgens der niedrigste Wert, 8 Uhr abends der höchste Wert). Natürlich kommt es dabei von Menschen zu Mensch zu unterschiedlichen Ergebnissen – Fakt ist jedoch, dass wir in der Nacht abkühlen und am Tag verbunden mit mehr Aktivität auch eine erhöhte Kerntemperatur besitzen. Liegt das aber an unserer generellen Aktivität (wir bewegen uns, arbeiten, treiben Sport), oder sind diese Werte unabhängig voneinander?

Körpertemperatur und Aktivität: Zwei verschiedene Paar Turnschuhe

Wenn wir uns anstrengen oder Sport treiben, wird uns warm. Wir fangen vielleicht sogar an zu schwitzen und ein kühles Getränk nach einem Kraftakt schmeckt oft unbeschreiblich erfrischend. Doch reguliert körperliche Aktivität auch unsere Körperkerntemperatur oder sind das zwei Paar Turnschuhe? Die Antwort wäre ein klares Jein!

Zusammen mit einigen Ergebnissen an Menschen zeigte vor allem eine Studie an Hamstern, wie sehr ein Laufrad für Temperaturunterschiede bei den kleinen Nagern sorgte [3]. Über 5 Tage wurden sie in einem Käfig ohne, im Anschluss 5 Tage mit Laufrad gehalten, während man ihre Körpertemperatur gemessen hat. Während es zu Beginn nur 1,2°C Unterschied waren, stieg durch die höhere Aktivität der Hamster der Unterschied auf ganze 1,7°C an.

Considering that an average hamster with access to a running wheel in our laboratory runs the equivalent of about 4 km every night, the 0.5°C reduction in amplitude seen in Fig. 6 suggests that the effect of activity on the amplitude of the CRT may actually be small, even though significant. Indeed, many observations indicate that the CRT is not a consequence of the CRA.

[…]The finding that sleep during the active phase causes only a small reduction in body temperature (143,30 l) suggests that the greater reduction during sleep in the inactive phase is related to circadian organization rather than to some process specific to sleep. [Studie]

Während also körperliche Aktivität (CRA) einen kleinen, aber feinen Einfluss ausmachte, spielte sie nicht die Hauptrolle bei der circadianen Körpertemperatur (CRT). Auch bei Menschen wurde beobachtet, dass in der Regel zuerst unsere CRT anstieg und im Anschluss erst dafür sorgte, dass auch unsere CRA sich vergrößerte [2,4]. Mäuse produzierten ebenfalls mehr Wärme in der Nacht (nachtaktive Lebewesen) als am Tag, bei gleichbleibender Belastung [5]. Anscheinend wird der Großteil unserer inneren Hitze unabhängig gesteuert.

Kälte und Sport sind manchmal zwei unterschiedliche paar Ski-Schuh!

SCN und Epiphyse: Hier liegt die Temperatur vergraben!

Für Zeitgeber gibt es eine inzwischen bekannte Schnittstelle in unserem Gehirn. Der suprachiasmatische Nukleus des Hypothalamus (SCN). Neben der Körpertemperatur werden hier auch Stimuli durch Licht und die Ausschüttung von Melatonin in der Epiphyse neben vielen weiteren Faktoren reguliert. Es gibt es genug Studien, die zeigen konnten, dass die Entfernung des SCN direkt zu einer Destabilisierung des Biorhythmus, unabhängig von externen Einflüssen führte [6,7]. Doch der König wäre nichts, ohne seine Königin. Auch wenn die Epiphyse abhängig vom SCN ist, sorgt die Ausschüttung von Melatonin zu einer signifikanten Senkung unserer Körpertemperatur [8]. Bei einigen Tieren wie Spatzen konnte zusätzlich beobachtet werden, dass nach Entfernung der Epiphyse bei Dunkelheit die CRT nicht mehr durch die Tiere reguliert werden konnte [9]. Wenn es aber um circadiane Rhythmik geht, sind wir inzwischen noch einen Schritt weiter. Schichtarbeit und Jet-Lag sind keine Seltenheiten und viele Studien warnen seit Jahren vor den negativen Einflüssen ständig wechselnder Arbeitszeiten.

Vom Jetlag zu Pyjama-Partys

As a model borrowed from the field of engineering, the set-point model holds that the regulation of body temperature results from an active process of adjustment of the level of body temperature to the level prescribed by the set point. It was realized very early that the animal thermostat is much more complex than the standard thermostat used in engineering applications, in the sense that the animal set point is not really a static set point but an adjustable reference value that can be influenced by many factors both internal and external to the organism (164,165).

Menschen, die in einem Raum mit konstanter Beleuchtung “gehalten“ wurden, legten sich bevorzugt zum Schlafen hin, wenn ihre Körpertemperatur am niedrigsten war [10]. Auch wenn wir einen eigenen Rhythmus für interne Wärme besitzen, kann man bei Menschen mit Schicht-Arbeit (mit hoher oder niedriger Arbeitszeit-Fluktuation) beobachten, wie gut sich der Körper an individuelle Situationen anpasst [11]. Während bei hoher Fluktuation keine Veränderungen der CRT beobachtet werden konnte, zeigte sich bei Schicht-Arbeitern eine wiederkehrende Adaption bei länger bestehenden Veränderungen. Gleiche Ergebnisse sind auch bei Jet-Lag zu vermuten. Bei Affen wurde herausgefunden, dass sich bei einer Veränderung der Umgebung und Lichtverhältnisse die Aktivität nach etwa 4 Tagen wieder normalisierte und der CRT nach etwa 7 Tagen wieder seinem regulären Verlauf folgen konnte [12]. Solche Erkenntnisse lassen vermuten, dass bei Schichtarbeit eine längere gleichbleibende Arbeitszeit zu geringeren Krankheitstagen beim Personal führen könnte. Zumindest ist zu erkennen, dass unser Körper zum Teil bei größeren Zeitänderungen bis zu einer Woche braucht, um sich zu adaptieren und vielleicht sogar länger – ansonsten lässt er es vielleicht gleich bleiben.

Ebenso zeigt das Alter seinen Einfluss, wenn es um Thermoregulierung und Biorhythmus geht. Ältere Menschen sind häufig schlechter dazu in der Lage, ihre Körperkerntemperatur gut zu regulieren und vor allem hier macht es Sinn, externe Signale zu verwenden, um für einen besseren Schlaf und höhere Aktivität zu sorgen [13]. Bei Kindern ist es abhängig davon, wie sehr sie einem artgerechten Umfeld mit Licht und Temperatur ausgesetzt werden, um sich anpassen zu können [14].

Wenn wir unter Tags bei angenehmer Temperatur besser arbeiten können und am besten schlafen, wenn unser Bett ein wenig kühler ist, dann haben wir hier doch etwas sehr anwendbares, oder? Interessanterweise sorgen kalte Füße aber für schlaflose Nächte und Pyjama-Partys können beim Einschlafen helfen! Wir frieren wir nicht unbedingt gerne. Insbesondere kalte Füße scheinen als Stress von unserem Körper wahrgenommen zu werden [15]. Während man also ein kühles Schlafzimmer haben möchte, sollte man darauf achten, die Zehen warm zu halten. Ebenfalls konnten offensichtlich Kleidung und eine Decke dafür sorgen, dass Kälte als Zeitgeber agieren konnte [16]. An sich mag es logisch klingen, da beide den Körper bedecken und uns ein angenehmes Gefühl vermitteln. Kälte sollte nicht nur als Zeitgeber gesehen werden und niemand schläft gerne nackt und ungeschützt in kühler Dunkelheit. Insbesondere bei Kälte und knurrendem Magen (fastend), verlor Kälte als Zeitgeber seine Funktion [17]! Ein Gefühl der Geborgenheit lässt einen wohl am besten schlafen. Wenn es dabei kuschelig warm unter der Decke ist, während man kühle Luft atmen kann, schläft es sich aber wohl am besten. Ein bisschen Kälte beim Schlafen schien sogar Licht als Zeitgeber ein wenig unwichtiger zu machen. Sitzt man also bis am späten Abend noch im Büro, kann man so vielleicht doch noch ein paar mehr Stunden tiefer schlafen [18].

Pre-sleep, bright-light exposure delayed the nadir time of T(re) under thermoneutral conditions (p < 0.05), while cold exposure masked the circadian rhythm with a precipitous decrease in T(re).

Quellenangabe:

  1. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/7249872
  2. https://link.springer.com/article/10.1007/BF00362748
  3. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/1523238
  4. http://www.physiology.org/doi/abs/10.1152/ajplegacy.1937.119.1.48?journalCode=ajplegacy
  5. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/12719767
  6. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/194576
  7. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/4556464
  8. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/8836952
  9. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/5647435
  10. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/786739
  11. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/3359988
  12. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/2801999
  13. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/16753947
  14. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/10341380
  15. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/11463418
  16. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3427038/
  17. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/26025785
  18. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/20560711