Der Unterschied zwischen Apo- und Holo-Lactoferrin: Einblicke aus aktuellen Studien 

Apo Lactoferrin und Holo Lactoferrin

Die zwei strukturell unterschiedlichen Formen von Lactoferrin erklärt

Lactoferrin ist ein vielseitiges Glykoprotein, das eine zentrale Rolle im Eisenstoffwechsel, in der Immunregulation und bei der Aufrechterhaltung des mikrobiellen Gleichgewichts spielt. Weniger bekannt ist jedoch, dass Lactoferrin in zwei unterschiedlichen strukturellen Formen vorkommen kann, abhängig davon, ob es Eisen gebunden hat oder nicht.

Diese Eisenbindung beeinflusst seine biologische Aktivität massgeblich. Apo-Lactoferrin (apo-Lf) ist die eisenfreie Form und zeichnet sich durch stark antimikrobielle, entzündungshemmende und immunmodulierende Eigenschaften aus. Holo-Lactoferrin (holo-Lf) hingegen ist die eisenbeladene Variante, die insbesondere für Prozesse der Eisenhomöostase und des zellulären Stoffwechsels von Bedeutung ist.

Doch worin unterscheiden sich diese beiden Formen konkret, und welche praktischen oder klinischen Konsequenzen ergeben sich daraus? In diesem Beitrag werfen wir einen genaueren Blick auf aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse und beleuchten, welche Potenziale Apo- und Holo-Lactoferrin künftig in Medizin und Ernährung bieten könnten.

Strukturelle Unterschiede zwischen Apo- und Holo-Lactoferrin

Apo-Lactoferrin ist die eisenfreie Form des Proteins. In diesem Zustand sind die beiden Bindungsstellen für Eisen unbesetzt, wodurch die Gesamtstruktur offener und flexibler bleibt. Diese offene Konformation erleichtert es, Eisenionen aus der Umgebung aufzunehmen. Das Molekül wirkt in dieser Form dynamischer und reagiert stärker auf Veränderungen in seiner Umgebung.

Holo-Lactoferrin hingegen ist die eisenhaltige Form, bei der beide Bindungsstellen mit Eisen besetzt sind. Durch die Eisenbindung verändert sich die räumliche Anordnung des Proteins deutlich. Es nimmt eine kompaktere und stabilere Form an, bei der beide Loben, also die beweglichen Bereiche des Proteins, geschlossen sind. Diese geschlossene Konformation macht holo-Lactoferrin widerstandsfähiger gegenüber äußeren Einflüssen wie Temperatur oder enzymatischem Abbau.

Strukturelle Untersuchungen, insbesondere mittels Kristallstrukturanalyse, zeigen, dass dieser Wechsel von der offenen zur geschlossenen Form eine Art molekularen Schalter darstellt. Die Eisenbindung beeinflusst die Form, die Stabilität und die Wechselwirkungen von Lactoferrin mit seiner Umgebung.  Das bedeutet, dass es auch Mischformen geben kann und Lactoferrin nicht ausschliesslich in einer der zwei Formen verharrt. (1)(2)(3)

Apo und Holo Lactoferrin im Vergleich

Die verschiedenen Anwendungsgebiete von Holo- und Apo-Lactoferrin

Um die funktionellen Unterschiede zwischen Apo- (eisenfrei) und Holo-Lactoferrin (eisenbeladen) sowie deren spezifische Einsatzgebiete übersichtlich darzustellen, zeigt die folgende Tabelle eine strukturierte Gegenüberstellung: (5)

Anwendungsgebiet Apo-LF (eisenfrei) Holo-LF (eisenbeladen)
Eisenregulation Bindet freies Eisen und reduziert dessen Verfügbarkeit für Mikroorganismen. Liefert Eisen direkt und unterstützt so den Eisenhaushalt des Körpers.
Darm-Mikrobiom Hemmt durch Eisenbindung pathogene Bakterien und fördert nützliche Mikroorganismen wie Bifidobacterium und Lactobacillus. Unterstützt ebenfalls die Entwicklung nützlicher Bakterien und trägt zur Aufrechterhaltung eines gesunden Mikrobioms bei.
Immunsystem Stimuliert Immunzellen (z. B. Lymphozyten, Makrophagen), moduliert Entzündungsreaktionen und stärkt die Abwehr gegen Infektionen. Liefert Eisen für die Funktion von Immunzellen und unterstützt so indirekt die Immunaktivität.
Antibakterielle/Antivirale Wirkung Sehr ausgeprägt: Entzieht Mikroorganismen Eisen, interagiert direkt mit deren Zellmembranen und hemmt die Virusinvasion. Weniger stark ausgeprägt, wirkt jedoch unterstützend und regulierend.

Weitere Anwendungen Infektionsprävention, Regulation des Mikrobioms, Immunmodulation. Behandlung von Eisenmangel, Unterstützung der Zellregeneration und des Stoffwechsels, präklinische Tumorforschung, Hautpflege (z. B. Wundheilung,

Einfluss auf das Darm-Mikrobiom: Beide Lactoferrin-Formen beeinflussen die Zusammensetzung der Darmmikrobiota positiv.
Apo-Lactoferrin hemmt durch die Bindung von freiem Eisen das Wachstum pathogener Bakterien, während es gleichzeitig die Vermehrung nützlicher Bakterien wie Bifidobacterium und Lactobacillus fördert.
Neuere Studien zeigen zudem, dass auch Holo-Lactoferrin einen förderlichen Effekt auf probiotische Bakterien hat. Diese synergistische Wirkung trägt zur Stabilisierung eines gesunden Mikrobioms und zur Unterstützung der Darmgesundheit bei. (6)

Wirkung auf das Immunsystem: Beide Isoformen modulieren die Immunfunktion, allerdings in unterschiedlicher Weise. Apo-Lactoferrin zeigt eine besonders hohe Aktivität. Es stimuliert Immunzellen, reguliert entzündliche Prozesse und verbessert die Abwehr gegenüber Infektionen. Holo-Lactoferrin wirkt unterstützend, indem es den Zellen das für deren Funktion essenzielle Eisen bereitstellt.

Antimikrobielle und antivirale Eigenschaften: Apo-Lactoferrin besitzt ausgeprägte antimikrobielle und antivirale Effekte. Es entzieht Mikroorganismen das für deren Wachstum notwendige Eisen und kann direkt mit deren Zellmembranen interagieren, was zu einer Hemmung der Vermehrung führt.Zudem blockiert es den Eintritt bestimmter Viren in Wirtszellen, wodurch es antiviral wirkt.

Weitere potenzielle Anwendungen: Die vielseitigen biologischen Eigenschaften von Lactoferrin eröffnen ein breites therapeutisches Potenzial.
Holo-Lactoferrin wird derzeit in präklinischen Studien auf seine Wirksamkeit bei entzündlichen Erkrankungen und in der Krebsforschung untersucht. Darüber hinaus zeigt es positive Effekte in der Hautpflege, insbesondere bei der Wundheilung und der Behandlung von Hautunreinheiten. (4)(5)

Neue Erkenntnisse aus der Forschung

Aktuelle Studien zeigen also, dass Apo- und Holo-Lactoferrin unterschiedliche Wirkmechanismen besitzen. Apo-Lactoferrin beeinflusst vor allem das Immunsystem, indem es Lymphozyten und Makrophagen aktiviert und so gezielte Immunreaktionen moduliert. Holo-Lactoferrin hingegen wirkt stärker auf zelluläre Prozesse wie die Eisenaufnahme und den Stoffwechsel. Einige In-vitro- und Tierstudien deuten darauf hin, dass die Kombination beider Isoformen synergistische Effekte haben könnte. In Experimenten zur Infektionsprävention zeigte die gleichzeitige Anwendung von Apo- und Holo-Lactoferrin eine stärkere Hemmung pathogener Mikroorganismen als jede Form allein. Außerdem wird untersucht, ob Holo-Lactoferrin die regenerativen und entzündungshemmenden Effekte von Apo-Lactoferrin in Geweben unterstützt.

Kritisch betrachtet stammen die meisten Ergebnisse bisher aus Labor- und Tiermodellen, weshalb ihre Übertragbarkeit auf den Menschen noch nicht vollständig gesichert ist. Die beobachteten Synergien wirken vielversprechend, müssen jedoch in klinischen Studien validiert werden. Insgesamt deutet die Forschung darauf hin, dass eine gezielte Kombination von Apo- und Holo-Lactoferrin künftig eine präzisere Steuerung biologischer Prozesse in Ernährung, Medizin und Biotechnologie ermöglichen könnte, wobei dieser Nutzen derzeit noch theoretisch ist.

Fazit: Potenziale und Perspektiven von Lactoferrin

Lactoferrin ist ein hochfunktionelles Protein mit vielfältigen Eigenschaften, die stark von seiner Eisenbeladung abhängen. Apo-Lactoferrin überzeugt durch antimikrobielle, antivirale und immunmodulierende Effekte, während Holo-Lactoferrin gezielt die Eisenversorgung unterstützt und regenerative Prozesse fördert. Die differenzierte Anwendung beider Formen ermöglicht die Vorbeugung von Infektionen, die Unterstützung des Darmmikrobioms, die Modulation von Entzündungen und die gezielte Behandlung von Eisenmangel. Diese Erkenntnisse eröffnen neue Perspektiven für personalisierte Ansätze in Medizin, Ernährung und Biotechnologie und unterstreichen das Potenzial von Lactoferrin weit über die reine Nahrungsergänzung hinaus.

Literatur

  1. Huang, Y., et al. (2025). Critical importance of iron saturation in lactoferrin: Effects on biological activity, nutritional functions, and applications. Journal of Agricultural and Food Chemistry. Advance online publication. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/40195752/
  2. Griffin, I. J., et al. (2020). Iron absorption is greater from apo‑lactoferrin and is similar between holo‑lactoferrin and ferrous sulfate: Stable iron isotope studies in Kenyan infants. The Journal of Nutrition, 150(12), 3200–3206. https://academic.oup.com/jn/article-abstract/150/12/3200/5901456?redirectedFrom=fulltext&login=false&utm_source=chatgpt.com
  3. Jiang, R., et al. (2012). Apo‑ and holo‑lactoferrin stimulate proliferation of mouse crypt cells but through different cellular signaling pathways. International Journal of Biochemistry & Cell Biology, 44(1), 91–100. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/22009034/
  4. Bokkhim, H., et al. (2013). Physico‑chemical properties of different forms of bovine lactoferrin. Food Chemistry, 141(3), 3007–3013. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/23871052/
  5. Barros, C. A., et al. (2021). Influence of iron binding in the structural stability and cellular internalization of bovine lactoferrin. Heliyon, 7(9), e08087. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/34632151/
  6. Ruiz‑Rico, M., et al. (2023). Iron‑saturated bovine lactoferrin preserves microbiota diversity and healthy ageing‑associated taxa in an in vitro colon model of elderly gut microbiota. PLOS ONE, 18(9), e0332631. https://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0332631