Lactoferrin als Multifunktionsprotein

Multifunktionsprotein Lactoferrin

Lactoferrin: Multitalent zwischen Darm, Immunsystem und Infektprävention

Lactoferrin ist ein vielseitiges, eisenbindendes Glykoprotein, das natürlicherweise in Körperflüssigkeiten wie Speichel, Tränen, Schleimhautsekreten und insbesondere in der Muttermilch vorkommt. Dort spielt es eine zentrale Rolle im Schutzsystem von Neugeborenen, indem es Infektionen abwehrt und das Immunsystem reguliert. Doch auch im Erwachsenenalter entfaltet Lactoferrin beeindruckende Wirkungen: Es unterstützt den Eisenstoffwechsel, stärkt die Immunabwehr, hemmt das Wachstum krankheitserregender Mikroorganismen und trägt zur Stabilität der Darmflora bei. Zahlreiche wissenschaftliche Studien belegen, dass Lactoferrin als echtes „Multifunktions-Protein“ auf mehreren Ebenen wirkt und damit einen wichtigen Beitrag zur ganzheitlichen Gesundheit leisten kann.

In diesem Blogbeitrag stellen wir die zentralen Funktionen von Lactoferrin vor und beleuchten aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse zu diesem faszinierenden Molekül.

Lactoferrin und der Darm: Mikrobiombalance und Entzündungsregulation

Ein funktionierendes Darmmikrobiom ist essenziell für die Immunabwehr, die Verdauung und die Aufnahme lebenswichtiger Nährstoffe. Lactoferrin beeinflusst die Darmflora auf vielfältige Weise:

  • Förderung nützlicher Bakterien: Lactoferrin begünstigt die Kolonisation von probiotischen Spezies wie Bifidobacterium und Lactobacillus, die für die Produktion kurzkettiger Fettsäuren (SCFAs) und die Aufrechterhaltung des Darmepithels entscheidend sind. (1)
  • Hemmung pathogener Keime: Lactoferrin entzieht pathogenen Bakterien wie E. coli und Salmonella Eisen, ein essenzieller Wachstumsfaktor, und destabilisiert zusätzlich deren Zellmembranen.
  • Entzündungshemmung: Präklinische und klinische Studien weisen darauf hin, dass Lactoferrin die Expression proinflammatorischer Zytokine wie TNF-α und IL-6 im Darm reduziert, was bei Reizdarm oder chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen potenziell vorteilhaft ist. (3)

Dies deutet darauf hin, dass das Protein nicht nur die mikrobielle Balance wiederherstellt, sondern auch aktiv entzündungshemmend wirkt. Besonders nach Antibiotikatherapien oder in Stressphasen kann Lactoferrin dazu beitragen, das Darmmilieu zu stabilisieren und die Nährstoffaufnahme zu verbessern. Die positive Wirkung auf das Mikrobiom und die Entzündungsregulation kann so indirekt das Immunsystem stärken und das allgemeine Wohlbefinden fördern.

Lactoferrin und das Immunsystem: Intelligenter Immunmodulator

Lactoferrin wirkt als natürlicher Immunmodulator, der das Immunsystem in Balance hält. Es aktiviert gezielt die Abwehrkräfte, ohne überschiessende Entzündungsreaktionen zu provozieren. Studien zeigen, dass Lactoferrin sowohl bei geschwächter Immunantwort als auch bei übermässigen Immunreaktionen regulierend eingreift. (2)

Die wichtigsten Mechanismen sind:

  • Aktivierung von Immunzellen: Lactoferrin steigert die Aktivität von Makrophagen, natürlichen Killerzellen (NK-Zellen) und Lymphozyten, wodurch die gezielte Abwehr von Viren und Bakterien verbessert wird.
  • Regulation proinflammatorischer Zytokine: Es reduziert die Ausschüttung von TNF-α, IL-6 und anderen entzündungsfördernden Molekülen, sodass Gewebeschäden durch übermäßige Immunreaktionen verhindert werden.
  • Schleimhautschutz: Lactoferrin stärkt die Barrierefunktion von Schleimhäuten in Nase, Mund und Darm und erschwert so das Eindringen von Krankheitserregern. Dadurch entsteht eine „intelligente“ Immunantwort, die flexibel auf die Bedürfnisse des Körpers reagiert. Besonders in der Erkältungs- und Grippesaison oder bei Stressphasen kann Lactoferrin helfen, Infektanfälligkeit zu reduzieren. Auch bei allergischen Reaktionen könnte das Protein ausgleichend wirken, da es das Immunsystem in Richtung Normalisierung unterstützt. (3)(4)

Es wird ersichtlich, dass zwischen Lactoferrin, dem Immunsystem und dem Darmmikrobiom eine enge wechselseitige Beziehung besteht. Aufgrund dieser vielseitigen Interaktionen stellt Lactoferrin ein hochinteressantes multifunktionales Protein für die ernährungswissenschaftliche Forschung dar.

Lactoferrin und Eisen: gezielte Regulation ohne Überladung

Neben seinen immunologischen Funktionen spielt Lactoferrin eine zentrale Rolle im Eisenstoffwechsel. Es bindet Eisen hochaffin, schützt es vor Oxidation und transportiert es gezielt dorthin, wo der Körper es benötigt, zum Beispiel in das Knochenmark, die Leber oder die Immunzellen. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass Eisen effizient genutzt wird, ohne dass freie Eisenionen entstehen, die oxidativen Stress verursachen können. Besonders bemerkenswert ist, dass Lactoferrin sowohl bei Eisenmangel als auch bei Eisenüberschuss regulierend wirkt. Bei Mangelzuständen unterstützt es die Eisenaufnahme aus der Nahrung, während es bei Überschuss die Resorption hemmt. Dieses dynamische Gleichgewicht schützt Zellen vor Schäden durch freie Radikale und trägt gleichzeitig zur optimalen Funktion von Stoffwechsel und Immunsystem bei. (4)

Klinische Evidenz und Forschungsbedarf

Obwohl zahlreiche Labor- und klinische Studien die positiven Effekte von Lactoferrin auf Immunfunktion, Infektabwehr und Darmgesundheit belegen, ist die Gesamtevidenz derzeit noch uneinheitlich. Die bisherigen Untersuchungen unterscheiden sich teils deutlich in Studiendesign, Dosierung, Präparatform (z. B. Apo- vs. Holo-Lactoferrin) und Teilnehmergruppen. Viele Studien zeigen zwar signifikante Verbesserungen bei Infektanfälligkeit oder Entzündungsparametern, sind jedoch klein angelegt oder von kurzer Dauer. Daher gilt: Die bisherigen Ergebnisse sind vielversprechend, müssen aber durch grössere, methodisch robuste Langzeitstudien bestätigt werden. Dies betrifft insbesondere die optimale Dosierung, die Bioverfügbarkeit verschiedener Darreichungsformen und die langfristigen Auswirkungen auf Mikrobiom und Immunsystem. (5)

Fazit und Praxisbezug: Ein Protein – vielfältige Wirkungen

Lactoferrin ist ein vielseitiges Glykoprotein, das exemplarisch die Komplexität biologischer Regulationsprozesse verdeutlicht. Es übernimmt zentrale Funktionen in der Eisenbindung und -verteilung, beeinflusst das Gleichgewicht der Darmmikrobiota, moduliert immunologische Reaktionen und trägt zur Abwehr pathogener Mikroorganismen bei. Durch diese multiplen Wirkmechanismen entfaltet Lactoferrin Effekte, die weit über eine einzelne Zielstruktur hinausgehen. Für die praktische Anwendung bedeutet dies: Lactoferrin kann einen unterstützenden Beitrag zur Aufrechterhaltung der Darmgesundheit, zur Stabilisierung der Immunfunktion und zur Prävention wiederkehrender Infektionen leisten. Es kann sowohl im Rahmen einer ausgewogenen Ernährung als auch als Bestandteil qualitativ hochwertiger Nahrungsergänzungsmittel sinnvoll eingesetzt werden. Dabei sollte die Verwendung stets im Kontext individueller Bedürfnisse und einer insgesamt gesunden Lebensweise betrachtet werden.

  1. Ruiz-Rico M, Ye H, O’Callaghan TF, O’Toole PW, McCarthy EK. Iron-saturated bovine lactoferrin preserves microbiota diversity and healthy ageing-associated taxa in an in vitro colon model of elderly gut microbiota. https://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0332631
  2. Pasinato, A., & Silva, A. M. V. (2024). Lactoferrin in the prevention of recurrent respiratory infections in preschool children: A randomized controlled trial.  https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/38397361/

  3. Silva, A. M. V., Machado, T. L., Nascimento, R. D. S., Rodrigues, M. P. D., Coelho, F. S., Tubarão, L. C. D. R., … Ano Bom, A. P. D. (2024). Immunomodulatory effect of bovine lactoferrin during SARS-CoV-2 infection. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/39483459/

  4. Nasr, S., et al. (2025). Lactoferrin Alone Vs Iron Alone Vs Lactoferrin Plus Iron for Treatment of Iron Deficiency Anemia During The 3rd Trimester of Pregnancy. Evidence-Based Women’s Health Journal, 5(3), [Seiten]. https://ebwhj.journals.ekb.eg/article_441320.html

  5. Ponzini, E., et al. (2024). Development, Optimization, and Clinical Relevance of Lactoferrin Delivery Systems: A Focus on Ocular Delivery. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/38931931

  6. Andima, M., & Wang, X. (2024). Targeting Intracellular Bacteria with Dual Drug-loaded Lactoferrin Nanoparticles. [Journal], [Band], [Seiten]. https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC11091908/

  7. Shafqat, A., Li, M., Zakirullah, Liu, F., Tong, Y., Fan, J., & Fan, H. (2025). A comprehensive review of research advances in the study of lactoferrin to treat viral infections. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/39730037/