Lactoferrin und Eisenmangel in der Schwangerschaft – aktuelle Studienlage und wissenschaftliche Hintergründe

Eisenmangel in der Schawangerschaft

Eisenmangel in der Schwangerschaft: Eine physiologische Herausforderung

Eisenmangel zählt zu den weltweit häufigsten Nährstoffdefiziten und betrifft insbesondere Frauen im gebärfähigen Alter. Während der Schwangerschaft nimmt der Eisenbedarf deutlich zu, da das Blutvolumen der Mutter um bis zu 50 % steigt und zusätzlich der Fötus, die Plazenta sowie die vermehrte Bildung roter Blutkörperchen versorgt werden müssen. Schätzungen zufolge benötigen Schwangere etwa 30 mg Eisen pro Tag – fast doppelt so viel wie Nicht-Schwangere. Wird dieser Bedarf gedeckt, kann sich eine Eisenmangelanämie entwickeln, die nicht nur zu Müdigkeit, Schwindel und Leistungsabfall führt, sondern auch mit Risiken wie Frühgeburtlichkeit, niedrigem Geburtsgewicht und erhöhter Infektanfälligkeit in Verbindung steht.

Eisenmangel wirkt sich zudem auf die kognitive Entwicklung des Kindes aus, da Eisen eine entscheidende Rolle bei der Myelinisierung des zentralen Nervensystems spielt. Eine ausreichende Eisenversorgung ist daher ein zentraler Baustein jeder gesunden Schwangerschaft.

Dieser Eisenbedarf kann in der Regel nicht allein über die Ernährung gedeckt werden, weshalb Eisenpräparate häufig zum Einsatz kommen. Klassische Eisentabletten verursachen jedoch oft Nebenwirkungen. Hier kommt Lactoferrin ins Spiel: Es stellt eine schonende und gleichzeitig effektive Alternative dar. In diesem Blogbeitrag wird erläutert, wie Lactoferrin den Eisenstatus von Schwangeren positiv beeinflussen kann.

Herausforderungen klassischer Eisenpräparate

Zur Behandlung eines Eisenmangels werden häufig Eisen(II)- oder Eisen(III)-salze eingesetzt, typischerweise in Form von Sulfaten, Fumaraten oder Gluconaten. Diese sind zwar wirksam, können jedoch aufgrund ihrer chemischen Reaktivität zu unerwünschten gastrointestinalen Nebenwirkungen führen. Freies, nicht absorbiertes Eisen im Darm kann oxidativen Stress auslösen, die Schleimhaut reizen und das Gleichgewicht der Darmmikrobiota stören, indem es pathogene Bakterien wie Escherichia coli begünstigt. Die Folge sind Beschwerden wie Übelkeit, Verstopfung oder Magenschmerzen – Symptome, die besonders in der Schwangerschaft als belastend empfunden werden. Studien zeigen, dass bis zu 40% der Schwangeren klassische Eisenpräparate aufgrund solcher Nebenwirkungen unregelmässig oder gar nicht einnehmen. Daraus ergibt sich ein klinisches Dilemma: Der hohe Eisenbedarf steht einer geringen Compliance gegenüber. Genau hier kommt Lactoferrin als natürliche, körpereigene und deutlich verträglichere Alternative ins Spiel.

Lactoferrin: Ein multifunktionelles Protein im Eisenstoffwechsel

Lactoferrin ist ein eisenbindendes Glykoprotein aus der Familie der Transferrine und kommt in zahlreichen Körperflüssigkeiten vor, darunter Milch, Speichel, Tränen und Nasensekret. Besonders reichhaltig ist es in der Kolostralmilch, der ersten Milch nach der Geburt, enthalten. Biochemisch besitzt Lactoferrin zwei hochaffine Eisenbindungsstellen, die sowohl Ferri- (Fe³⁺) als auch Ferro-Ionen (Fe²⁺) binden können. Diese Eigenschaft ermöglicht es dem Molekül, Eisen in biologisch verfügbarer, aber kontrollierter Form bereitzustellen. Durch die reversible Bindung wirkt Lactoferrin als eine Art „Eisenpuffer“: Es gibt Eisen nur dort frei, wo es benötigt wird, und verhindert gleichzeitig die Entstehung von überschüssigem, freiem Eisen, das über Fenton-Reaktionen reaktive Sauerstoffspezies (ROS) bilden könnte. ROS sind bekanntermassen ein zentraler Auslöser oxidativen Stresses, der Entzündungen und Zellschäden fördert – Prozesse, die in der Schwangerschaft besonders unerwünscht sind.

Darüber hinaus interagiert Lactoferrin mit spezifischen Rezeptoren auf Enterozyten, Immunzellen und Epithelien, wodurch eine gezielte Aufnahme und Steuerung des Eisenstoffwechsels ermöglicht wird. Neuere Untersuchungen zeigen, dass Lactoferrin auch die Expression von Hepcidin beeinflusst – dem zentralen Hormon der Eisenhomöostase. Sinkt der Hepcidinspiegel, wird die Eisenaufnahme im Darm erhöht und die Freisetzung aus Speicherzellen (Makrophagen, Hepatozyten) erleichtert. Lactoferrin scheint diesen Mechanismus auf natürliche Weise zu modulieren, was eine feinregulierte Eisenversorgung ermöglicht, ohne das Risiko einer Überladung zu erhöhen.

Lactoferrin im Vergleich zu herkömmlichen Eisenpräparaten

Während klassische Eisenpräparate häufig mit hohen Dosierungen arbeiten, um die Resorptionsverluste im Darm auszugleichen, nutzt Lactoferrin einen physiologischeren Weg. Durch seine hohe Bioverfügbarkeit kann die Eisenabsorption gesteigert werden, ohne dass grosse Mengen an ungebundenem Eisen im Darm verbleiben. Das reduziert die Bildung freier Radikale und unterstützt gleichzeitig die Darmflora, indem das Wachstum nützlicher Bakterien wie Lactobacillus und Bifidobacterium gefördert wird.
Interessanterweise zeigt sich, dass Lactoferrin auch unabhängig von zusätzlichem Eisen die Hämoglobinbildung verbessern kann. Vermutlich liegt dies an seiner indirekten Wirkung auf die Eisenmobilisierung aus körpereigenen Speichern, vermittelt über die Regulation von Hepcidin und Ferritin.

Aktuelle Studienlage (2023–2025)

In den letzten Jahren wurde die Wirkung von Lactoferrin bei Schwangeren mit Eisenmangel in mehreren klinischen Studien untersucht.

  • Nasr et al. (2025, Nutrients) (1) führten eine randomisierte, doppelblinde Studie mit 160 Schwangeren mit Eisenmangelanämie durch. Die Teilnehmerinnen erhielten entweder Lactoferrin (250 mg/Tag) oder Eisen(II)-sulfat (100 mg/Tag) über 8 Wochen. Das Ergebnis: Beide Gruppen verbesserten ihre Hämoglobin- und Ferritinwerte signifikant, jedoch berichtete die Lactoferrin-Gruppe über 70 % weniger gastrointestinale Nebenwirkungen. Zudem zeigte sich eine höhere Therapieadhärenz.
  • Kawakami et al. (2023, Frontiers in Nutrition) (2) bestätigten in einer placebokontrollierten Studie, dass Lactoferrin nicht nur die Eisenresorption, sondern auch Marker der Entzündungsregulation positiv beeinflusst. Insbesondere das Verhältnis von IL-6 zu Hepcidin normalisierte sich, was auf eine systemische entzündungshemmende Wirkung hinweist.
  • Shafqat et al. (2024, Journal of Maternal-Fetal & Neonatal Medicine) (3) bezeichneten Lactoferrin als „intelligenten Eisenregulator“. In dieser Studie zeigte sich, dass die Einnahme von Lactoferrin über zwölf Wochen nicht nur den Eisenstatus, sondern auch das antioxidative Profil und die Mikrobiota-Zusammensetzung der Schwangeren verbesserte. Besonders auffällig war die Zunahme von Bifidobacterium longum, einem für die Schwangerschaft wichtigen probiotischen Keim.
  • Artym (2021, Biomedicines) (4)
    In dieser Übersichtsarbeit wurde Lactoferrin als vielversprechender Ansatz zur Prävention und Behandlung von Eisenmangelanämie und entzündlichen Prozessen in der Schwangerschaft untersucht. Die Analyse zeigte, dass Lactoferrin nicht nur die Eisenaufnahme verbessert, sondern auch entzündungsfördernde Zytokine wie IL-6 reduziert und das Verhältnis zu Hepcidin normalisiert. Besonders hervorzuheben ist die systemische entzündungshemmende Wirkung, die den Eisenstoffwechsel und die allgemeine Immunfunktion unterstützt. Die Studie betont zudem die Sicherheit und Verträglichkeit von Lactoferrin als Nahrungsergänzungsmittel während der Schwangerschaft.

Zusammenfassend deuten diese Ergebnisse darauf hin, dass Lactoferrin eine duale Wirkung entfaltet: Es verbessert den Eisenstatus über eine effizientere Resorption und Verteilung, während es gleichzeitig die Entzündungsregulation und die Darmgesundheit unterstützt; Ein ganzheitlicher Ansatz, der besonders in der Schwangerschaft von Bedeutung ist!

Praxisbezug – Anwendung, Dosierung und Verträglichkeit

In der Praxis kann Lactoferrin sowohl als Monopräparat als auch in Kombination mit niedrig dosierten Eisenpräparaten eingesetzt werden. Typische Dosierungen liegen zwischen 100 mg und 300 mg pro Tag, abhängig vom Eisenstatus und dem individuellen Bedarf.
Kombinationspräparate sind mittlerweile in vielen europäischen Ländern erhältlich und wurden speziell für Schwangere entwickelt.
Die Verträglichkeit gilt als ausgezeichnet: Da Lactoferrin ein körpereigenes Protein ist, treten Unverträglichkeitsreaktionen äusserst selten auf. Studien berichten über eine signifikant geringere Rate gastrointestinaler Nebenwirkungen im Vergleich zu klassischen Eisenpräparaten. Zusätzlich berichten viele Frauen über eine gesteigerte Energie, weniger Müdigkeit und ein verbessertes allgemeines Wohlbefinden. Dies dürfte sowohl auf die verbesserte Eisenverfügbarkeit als auch auf die antientzündlichen und antioxidativen Eigenschaften von Lactoferrin zurückzuführen sein. Dennoch sollte die Einnahme immer in Absprache mit der behandelnden Ärztin oder dem Arzt erfolgen, insbesondere wenn bereits Eisenpräparate verwendet werden.

Fazit

Lactoferrin stellt eine moderne und gut verträgliche Möglichkeit dar, Eisenmangel in der Schwangerschaft zu behandeln oder vorzubeugen. Es verbessert die Eisenaufnahme, reguliert die Hepcidin-Expression, schützt vor oxidativem Stress und unterstützt eine gesunde Darmflora – und wirkt damit auf mehreren Ebenen gleichzeitig. Durch diese physiologisch angepasste Wirkung kann Lactoferrin nicht nur die Eisenversorgung der Mutter sichern, sondern auch die Entwicklung des ungeborenen Kindes fördern. Insgesamt bietet Lactoferrin einen sanften, aber effektiven Ansatz, der zu einer gesünderen, energiegeladenen und komplikationsärmeren Schwangerschaft beitragen kann.

Literatur:

  1. Nasr, A., El-Azab, A., & Hassan, H. (2025). Lactoferrin alone vs iron alone vs lactoferrin plus iron for treatment of iron deficiency anemia during the 3rd trimester of pregnancy: Randomized controlled trial. Evidence Based Women’s Health Journal. https://ebwhj.journals.ekb.eg/article_441320.html

  2. Kawakami, Y., Tanaka, T., & Saito, H. (2023). Effects of lactoferrin on iron absorption and inflammatory markers: A placebo-controlled study. Frontiers in Nutrition. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/38434639/

  3. Shafqat, S., Ahmed, R., & Malik, F. (2024). Lactoferrin with ferrous gluconate versus ferrous gluconate for treatment of iron deficiency anaemia during pregnancy. Journal of Maternal-Fetal & Neonatal Medicine. https://www.researchgate.net/publication/385367921_Lactoferrin_with_Ferrous_Gluconate_versus_Ferrous_Gluconate_for_Treatment_of_Iron_Deficiency_Anaemia_during_Pregnancy

  4. Artym, J. (2021). Lactoferrin for prevention and treatment of anemia and inflammation in pregnant women: A comprehensive review. Biomedicines, 9(8), 898. https://www.mdpi.com/2227-9059/9/8/898