Darmbakterien: Milliarden alte Evolutionsgeschichte
Auf einen Blick
- Unsere Zellen haben eine mehr als 3 Milliarden Jahre alte Geschichte
- Archaea nahmen Bacteria in sich auf und ermöglichten so komplexes Leben
- Darmbakterien haben einen Einfluss auf so ziemlich alles. Vor allem das Immunsystem wird stark durch unser Mikrobiom geprägt
- Viele bekannte Krankheiten wie Diabetes und Depressionen können durch den Darm entstehen
- Unser Mikrobiom hängt von pH-Werten, Sauerstoff, Nährstoffen, Feuchtigkeit, Temperatur und anderen Faktoren ab
- Es gibt nicht “die eine gesunde Darmbesiedelung“
- Unser Darm ist im ständigen Wechsel und passt sich den notwendigen Gegebenheiten mal positiv, mal negativer an
- Bei einer Schwangerschaft spielen neben den Hormonen auch unsere Darmbakterien “verrückt“ – alles aber, um dem Menschen das zu geben, was er braucht
Von milliardenalter Evolution zur Geburt neuen Lebens
Bakterien sind alt. Fossilen Forschungen zufolge etwa 3,25 – 3,5 Milliarden Jahre alt. Heutzutage sind mikrobielle Lebensformen überall und in jeder Biosphäre zu finden. Das 21.Jahrhundert beginnt erneut mit dem Zeitalter der Bakterien und Ergebnisse aus der Forschung erscheinen massenhaft jeden Tag. Drehen wir aber ein wenig die Zeit zurück und sehen wir uns die Entwicklung von den ersten bakteriellen Lebensformen bis hin zur Geburt eines neuen Menschen genauer an.
Man könnte behaupten, dass die Evolution des Lebens auf unserem Planeten mehr als 3 Milliarden Jahre alt ist und wir ein Teil des unbeschreiblichen Ergebnisses sind. Dabei dienten externe Faktoren wie Licht, Sauerstoff, die Präsenz von DHA und vieles mehr als die Trigger einer angepassten Entwicklung, basierend auf externen Einflüsse [1,2,3,4]. Um eine solch gewaltige Diversität zu haben, die wir heute an Bakterien auf dem Globus besitzen, müssen gewaltige Mengen an Mikroorganismen miteinander interagiert haben. Dass dem noch heute so ist, lässt erahnen, wie sehr unsere (moderne) Welt unser Innenleben noch immer beeinflusst.
Zu Beginn gab es lediglich zwei Arten von Prokaryoten (Zellen ohne Zellkern – die DNS schwimmt lose im Zytoplasma) – Archaea und Bacteria. Während Archaea umständlich aus Methanol Energie zum Überleben produzierten, fingen Bacteria bald an, Photosynthese, aerobe und anaerobe Energiegewinnung zu erfinden und in Sachen Energieeffizienz die Nase vorn zu haben. Archaea hatten jedoch eine andere Fähigkeit. Während Bacteria erfreut über ihren Fortschritt waren, integrierten Archaea die fleißigen Erfinder in sich ein und funktionierten sie um zu Zellorganellen wie Mitochondrien oder Chloroplasten (Endosymbiose). Bald darauf entstanden komplexere Zellen mit Zellkern. Die Eukaryoten (Zellen mit Zellkern) waren geboren. Diese Entwicklung sorgte dafür, dass durch die neu gewonnenen Massen an Energie (Mitochondrien) komplexes Leben erst möglich wurde. Ohne diese Entwicklung, wäre kein evolutionärer Fortschritt wie wir ihn kennen möglich gewesen. Mehrzellige Eukaryoten entstanden erstmals vor 1,2 Milliarden Jahren.
Bakterien auf unserer Haut, unsere Darmbakterien, Einzeller in Magen, Lunge usw. beeinflussen uns noch immer –Stoffwechsel und Immunsystem, unsere Hormone und selbst die Struktur und Funktion des Darmes werden entscheidend durch sie verändert, reguliert oder beschädigt [5,6].
Wie bei einem Fingerabdruck unterscheiden sich Menschen jedoch in ihrer Darmflora voneinander. Welche Bakterien auf unserem Körper auf den unterschiedlichen Oberflächen wachsen, hängt unter anderem von pH-Werten, Sauerstoff, Nährstoffen, Feuchtigkeit, Temperatur und anderen Faktoren ab [7]. Der Großteil unserer Bakterien leben in unserem Darm [8] – mit einer Dominanz von Bacteroides und Firmicutes [7]. Andere Orte, an denen es bakteriell geschäftig zugeht sind unter anderem die Haut, die Geschlechtsorgane, die Lunge und unsere Mundhöhle. Wie es scheint, dienen unsere Mitbewohner hier unter normalen Bedingungen unter anderem als Unterstützung für das Immunsystem gegen mögliche feindliche Fremdstoffe [7]. Dabei spielt die Aussage „unter normalen Bedingungen“ hier eine wichtige Rolle. Eine Dysbiose der Darmflora kann über einen längeren Zeitraum zu Krankheiten führen. So sind in der Wissenschaft bereits Verbindungen gezogen worden zu Übergewicht, Reizdarm, Diabetes und metabolischem Syndrom [9]. Dies sind einige unser bekanntesten Krankheiten der modernen Welt. Sind aber alle Veränderungen der Darmflora für uns schlecht? Gibt es die eine gesunde Darmflora? Offensichtlich nicht [10]. Bakteriell durchwandern wir Kindheit, Pubertät und sogar Schwangerschaft. Genau dies sorgte für widersprüchliche Ergebnisse in der Forschung. Während man erfolgreich jubilierend mikrobielle Sündenböcke zur Schau stellte, wurde bald klar, dass beispielsweise die Darmflora bei der Schwangerschaft unter anderen Bedingungen als Dysbiose hätte angesehen werden können. Bei einer werdenden Mutter erfüllte sie jedoch ihre spezifische Funktion.
Das sollte man sich kurz einen Moment auf der Zunge zergehen lassen. So formuliert, könnte man sich unser Mikrobiom als einzelnes System in Symbiose mit uns vorstellen, welches seine Form und Funktion je nach kommuniziertem Bedarf verändert (durch Veränderung von Besiedlung und Wirkung). Zu Recht wird daher in der heutigen Zeit unserer mikrobiellen Flora ein hohes Maß an Aufmerksamkeit geschenkt. Etwas, was wir selbst so massiv beeinflussen können und was uns so viel nützen kann, wurde sehr lange als unnötig oder sogar schlecht angesehen und ist selbst jetzt noch an vielen Stellen widersprüchlich. Eine der wohl spannendsten Veränderungen finden dabei bei einer werdenden Mutter statt. Wer daran interessiert ist, wie die Erschaffung neuen Lebens die mikrobielle Forschung in mancherlei Hinsicht ins Schwanken geraten lässt, sollte hier weiterlesen.
Quellenangabe:
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/16415926
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/17220268
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/17592124
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/18311127
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/15790844
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/15933226
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4943946/
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/22972295/
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/21407244/
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4170138/