Gesättigte Fettsäuren: Freund oder Feind? Teil 2

Cholesterin

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Ist Cholesterin nicht schlecht, wie alle behaupten?

Es dauerte nicht lange und die Wissenschaft war einen Schritt weiter. Es wurde komplizierter. LDL-Cholesterin ist nicht komplett schlecht. Ein Teil davon schon. Und zwar die kleinen, dichten LD-Lipoproteine. Diese waren anscheinend in der Lage in die Arterien einzudringen und hier oxidierend für Plaque-Bildung  zu sorgen. Die großen “fluffigen“ LD-Lipoproteine konnten das nicht und waren auch eigentlich absolut unschuldig 6–9. Es kam also nicht mehr nur noch darauf an, wie viel Cholesterin ein Mensch besaß – sondern auch, wie viel LDL- und HDL-Cholesterin. Und hier natürlich auch, mit welchem LDL-Cholesterin wir es hier zu tun hatten. Der Wert für LDL-Cholesterin im Blut wurde ab dann als LDL-p bezeichnet. Ist dieser Wert hoch, scheint der Mensch definitiv ein erhöhtes Risiko für Krankheiten zu besitzen. LDL-p ist ebenfalls anfälliger für Oxidation in Blutgefäßen, was ein wichtiger Schritt in der Entstehung von Herzerkrankungen ist 10–12.

Positive Effekte von gesättigten Fettsäuren

Um genau zu sein waren die Effekte von gesättigten Fettsäuren nicht signifikant. Kurzfristig schienen gesättigte Fettsäuren LDL-Cholesterin anzuheben, doch wiesen einige langfristige Studien vermehrt darauf hin, dass es keine Verbindung gab zwischen gesättigten Fettsäuren und erhöhten Cholesterin-Werten. Diese Studien wiesen eher darauf hin, dass es darauf ankommt, wie lange die gesättigten Fettsäuren sind (also wie viele Kohlenstoff-Atome die Fettsäure besitzen). Während Palmitinsäure (16 Kohlenstoff) LDL erhöhte, hatte Stearinsäure (18 Kohlenstoff) keinen Effekt 13,14.

Tatsächlich schienen gesättigte Fettsäuren sogar dafür zu sorgen, LDL-p zu reduzieren und daraus mehr von dem großen LDL-Cholesterin zu produzieren 15–17, während Ernährungsformen mit sehr wenig Fett eine umgekehrte Tendenz aufwiesen 18,19. Scheint, als wären gesättigte Fettsäuren wohl doch ein natürlicher und artgerechter Bestandteil unserer Ernährung.

Viele Studien wurden durchgeführt, um eine fettarme Ernährung voller komplexer Kohlenhydrate und Früchte mit “gesunden“ Pflanzenölen zu rechtfertigen. Die “Women’s Health Initiative“ war eine der größten Studien dazu mit fast 47.000 Frauen, die über 8 Jahre einer fettarmen Ernährung folgten. Das Ergebnis war ernüchternd. In der gesamten Zeit wurden durchschnittlich pro Person 0,4 Kg an Gewicht verloren und jegliche Daten über Krebs, Herzerkrankungen und Todesfälle zeigte keine Veränderungen 20–22. Vielmehr wiesen die Daten darauf hin, dass eine gleichzeitig vermehrte Verwendung von Pflanzenölen die Todesraten möglicherweise erhöhte 23,24. Und ernüchternd muss man heute auch feststellen, dass seit den fettarmen Richtlinien die weltweite Fettleibigkeit auch nicht unbedingt weniger zu wird.

Abgesehen davon sind gesättigte Fettsäuren nicht nur schmackhaft. Sie liefern vor allem bei guter Qualität viele Nährstoffe, fettlösliche Vitamine und einen Grundbaustoff für viele Hormone – Cholesterin. Sie eignen sich aufgrund ihrer hohen Stabilität sehr gut zum Zubereiten von Speisen und oxidieren nur sehr schwer während der Verarbeitung – und ebenfalls im Körper. Ganz im Gegensatz zu ungesättigten Fettsäuren, die oft bei Menschen mit hohen entzündlichen Belastungen leicht oxidieren und möglicherweise mehr Schaden als Gutes bewirken 25.

ApoE 4 – „nur“ 20% der Bevölkerung sind betroffen

Wäre doch alles etwas einfacher. Hätte man nicht einfach sagen können, dass gesättigte Fettsäuren gesund sind? Nun, Menschen sind sich ähnlich und sind dennoch gleichzeitig gerne mal verschieden. Manche Menschen besitzen genetische Defekte wie familiäre Hypercholesterinämie (erkennbar zum Beispiel durch die Ansammlung von gelblichen Fettansammlungen um das Augenlied herum) oder genetischen Variationen wie ApoE4. ApoE (Apolipoprotein E) ist eine Gensequenz die relevant für unsere Verstoffwechselung von Fetten ist. ApoE kommt dabei in 3 verschiedenen Variationen vor (ApoE2-4) und hat aus diesem Grund 6 verschiedene Kombinationsmöglichkeiten (APOE 2/2, 2/3, 2/4, 3/3, 3/4 & 4/4). Haben wir auch nur ein aktives ApoE4-Allel, verändert sich unsere Beziehung zu gesättigten Fettsäuren komplett.

ApoE4 mag vielen Menschen recht unbekannt klingen und man möge vielleicht vermuten, dass nur wenige Menschen diese “genetische Variation“ besäßen. Tatsächlich wird die Zahl in Europa und den USA auf etwa 20-25% (ApoE 3/4  & 4/4) der Bevölkerung geschätzt und hier gelten – neben einer höheren Anfälligkeit für Alzheimer – etwas andere Gesetze.

Während gesättigte Fettsäuren bei Menschen mit einem ApoE4-Polymorphismus LDL-p zu erhöhen scheinen, C-reaktives Protein (CRP) ansteigen lässt (Marker für entzündliche Prozesse im Körper) und generell LDL-Cholesterin anhebt (nicht relevant, jedoch ein guter Marker), scheinen einfach ungesättigte Fettsäuren das Gegenteil zu bewirken 26–30. Mediterrane Ernährung also?

ApoE4

Nun, bei Fisch und seinen wertvollen Omega-3-Fettsäuren schien das gleiche Problem zu bestehen. Generell als gesund geltend, schienen sie Menschen mit ApoE 4 einen dramatischen Schub an LDL-p zu geben (schlecht), die Partikel-Größe von LDL zu verringern (schlecht) und HDL-Cholesterin zu verringern (schlecht). Daher ist bei Omega-3 – trotz all seiner potentiell positiven Effekte – mit Vorsicht zu walten. Eine Empfehlung an Omega-3-Fettsäuren für Menschen mit ApoE4 Polymorphismus beschränkt sich dabei auf etwa 500mg pro Tag aus hochwertigen Quellen 31–33.

Ebenso scheinen Träger eines ApoE4 Allel´s keine potentiellen Vorteile von einem Glas Rotwein oder anderem moderaten Alkoholkonsum zu erhalten. Alleine deswegen sollte wohl die Wissenschaft schnellstmöglich eine Lösung für diesen Polymorphismus finden.

Quellenangabe:

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7.            Campos et al. Low density lipoprotein particle size and coronary artery disease. Arteriosclerosis, Thrombosis, and Vascular Biology 12, 187–195 (1992).
8.            Gardner, Fortmann & Krauss. Association of Small Low-Density Lipoprotein Particles With the Incidence of Coronary Artery Disease in Men and Women. JAMA 276, 875–881 (1996).
9.            Packard, Caslake & Shepherd. The role of small, dense low density lipoprotein (LDL): a new look. International Journal of Cardiology 74, S17–S22 (2000).
10.          Tribble, Krauss, Lansberg, Thiel & JJVD, B. Greater oxidative susceptibility of the surface monolayer in small dense LDL may contribute to differences in copper-induced oxidation among LDL density subfractions. Journal of lipid research 36, 662–71 (1995).
11.          Chait, Brazg, Tribble & Krauss. Susceptibility of small, dense, low-density lipoproteins to oxidative modification in subjects with the atherogenic lipoprotein phenotype, pattern B. The American Journal of Medicine 94, 350–356 (1993).
12.          Austin et al. Low-Density Lipoprotein Subclass Patterns and Risk of Myocardial Infarction. JAMA 260, 1917–1921 (1988).
13.          STULB, NOUGH, GREENBERG & HACG. THE RELATIONSHIP OF NUTRIENT INTAKE AND EXERCISE TO SERUM CHOLESTEROL LEVELS IN WHITE MALES IN EVANS COUNTY, GEORGIA. The American journal of clinical nutrition 16, 238–42 (1965).
14.          Mensink, Zock, ADM, K. & Katan. Effects of dietary fatty acids and carbohydrates on the ratio of serum total to HDL cholesterol and on serum lipids and apolipoproteins: a meta-analysis of 60 controlled trials. The American journal of clinical nutrition 77, 1146–55 (2003).
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16.          Dreon, Fernstrom, Miller & Krauss. Low-density lipoprotein subclass patterns and lipoprotein response to a reduced-fat diet in men. FASEB journal : official publication of the Federation of American Societies for Experimental Biology 8, 121–6 (1994).
17.          Siri-Tarino, Sun, Hu & Krauss. Saturated fat, carbohydrate, and cardiovascular disease. The American Journal of Clinical Nutrition 91, 502–509 (2010).
18.          Dreon, Fernstrom, Williams & Krauss. Reduced LDL particle size in children consuming a very-low-fat diet is related to parental LDL-subclass patterns. The American journal of clinical nutrition 71, 1611–6 (2000).
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21.          Howard et al. Low-Fat Dietary Pattern and Weight Change Over 7 Years: The Women’s Health Initiative Dietary Modification Trial. JAMA 295, 39–49 (2006).
22.          Prentice et al. Low-Fat Dietary Pattern and Risk of Invasive Breast Cancer: The Women’s Health Initiative Randomized Controlled Dietary Modification Trial. JAMA 295, 629–642 (2006).
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