Bleiches Blut und helle Haut: Vitamin D und Anämie

Auf einen Blick:

  • Leber und Nieren brauchen Eisen, um Vitamin D umzuwandeln
  • Funktionieren die Organe nicht, kann Vitamin D trotz Supplementierung nicht aktiviert werden und wirkungslos bleiben
  • Eisenmangel sorgt für eine reduzierte Absorption von Fetten und fettlöslichen Vitaminen im Darm
  • Starker Eisenmangel führt zu geringerer Resorption von Vitamin D und verminderter Knochenneubildung
  • Anämische Patienten sind meist energielos und seltener draußen an der Sonne (sekundäre Lebensstilkonsequenzen)
  • Vitamin D Mangel sorgt durch erhöhtes intrazelluläres Kalzium zu verminderter Produktion roter Blutkörperchen im Rückenmark
  • Hepcidin, ein Protein der Leber, wird bei Vitamin D Mangel und vor allem bei entzündlichen oder infektiösen Zuständen vermehrt ausgeschüttet. Ein erhöhter Hepcidin-Wert reduziert das für den Körper frei verfügbare Eisen
  • Eisen und Vitamin D sollten nicht isoliert betrachtet werden
  • Für therapeutisch erfolgreiche Maßnahmen ist das Wissen ein essentieller Mehrwert (zum Beispiel bei werdenden Müttern oder anämischen Patienten)
blasses blut

Eisenmangel und seine Effekte auf den Vitamin D Stoffwechsel: Ein systematischer Review

Azizi-Soleiman F. et al. (2016)

Das perfekte Rezept für eine adelige Blässe: Wenig Sonne und noch weniger Eisen (Anämie). Was früher als ein Zeichen von nobler Herkunft galt, ist heutzutage in den meisten Ländern ziemlich out. Während Eisenmangelanämie für Frauen und insbesondere werdende Mütter und ihr Kind schädlich sein kann, steht ein Vitamin D Mangel im Schatten vieler bekannten Krankheiten. Doch beeinflussen sich beide gegenseitig?

Azizi-Soleiman F. et al. hatten 2016 einen systematischen Review veröffentlicht, der sich dieses Thema als Fokus setzte. Schon einige Arbeiten hatten im Laufe der Jahre Vermutungen geäußert, denn Wechselwirkungen sind auf vielen Ebenen möglich, die die Autoren in ihrer Arbeit nun zusammengetragen haben.

Eisenmangel verringert den Vitamin D Status

Einige Annahmen sind schon länger bekannt. 2009 wurde unter anderem postuliert, dass ein starker Eisenmangel Knochenneubildung behindert und den Vitamin D Status negativ beeinflusst [1]. Inzwischen ist außerdem bekannt, dass Eisenmangel zu einer schlechteren Absorption von Fetten und Vitamin A im Darm führt [2]. Daher kann durchaus vermutet werden, dass auch die Aufnahme von Vitamin D durch Eisenmangel behindert wird. Ganz davon zu schweigen, dass anämische Personen wenig Antrieb besitzen und möglicherweise als sekundäre Lifestylefolge seltener an die Sonne gehen [3]. Unsere Lebensweise hat wie immer ihre Finger mit im Spiel.

Wenn aber gesagt wird, dass wir Vitamin D über die Haut produzieren, ist das nicht die ganze Geschichte. Sowohl die Leber, als auch unsere Nieren sind dafür verantwortlich 25(OH) und 1,25(OH) Vitamin D zu produzieren. Damit aber das bekannte Sonnenhormon umgewandelt wird, braucht es wie immer Enzyme – oder zumindest enzymartige Helfer. Sowohl die Leber als auch die Nieren besitzen dabei sogenannte Hämproteine (CYP2R1, CYP27B1) und Enzyme (NADPH-Zytochrom P450 Reduktase, Ferredoxin-Reduktase und Ferredoxin), die zentrale Rollen spielen. Wie die Namen “Hämprotein“ und “Ferr“ schon sagen, ist vor allem Eisen ein extrem wichtiger Baustein für diese Vorgänge. Fehlt dem Menschen also Eisen, kann Vitamin D nur schwer umgewandelt oder aktiviert werden und seine Arbeit leisten [4].

Um es deutlich zu wiederholen:

Vitamin D Aktivierung, läuft bei Eisenmangel gar nicht oder nur sehr schwach ab, obwohl man Zeit an der Sonne oder Geld für Kapseln investiert hat!

Vitamin D Mangel sorgt für Anämie

Die ganze Geschichte geht aber interessanterweise auch umgekehrt. Unser Rückenmark ist an bestimmten Regionen besonders gesättigt mit 25(OH) und 1,25(OH) Vitamin D [5]. Vermutet wird, dass durch die Anreicherung von Vitamin D im Rückenmark die Produktion von neuen roten Blutkörperchen (Erythropoese) stimuliert wird. Fehlt Vitamin D, wird also die Produktion von neuen Blutkörperchen behindert. Während das noch laut Autoren eine Spekulation sein mag, sorgt laut einiger Studien ein Mangel an Calcitriol lokal für eine erhöhte Durchlässigkeit der Zellen für Kalzium, was physiologisch die Produktion neuer Blutkörperchen einschränkt [6,7,8]. Auch steht ein Vitamin D Mangel indirekt in Verbindung mit einem erhöhten Hepcidin-Wert. Hepcidin ist ein Protein, das primär durch die Leber produziert wird und vermehrt bei chronischen Erkrankungen, Infektionen und entzündlichen Prozessen zu finden ist. Hepcidin vermindert die Eisenaufnahme im Darm und die Menge an freiem Eisen im Körper. Viele Bakterien verwenden Eisen als Nährstoff – aus diesem Grund versucht der Körper durch Hepcidin die Verbreitung der (sub-)akuten Infektion zu regulieren. Leider bleibt dabei auch die Eisenversorgung des Körpers auf der Strecke. Vermutet wird dabei, dass Vitamin D den entzündlichen Status des Körpers reduziert und dadurch indirekt die Menge an Hepcidin reduzieren kann. Bekannt ist jedenfalls, dass Vitamin D stark an unserem Immunsystem beteiligt ist.

Mit Sicherheit lässt sich zumindest sagen, dass man Vitamine und Mineralstoffe selten im Körper isoliert betrachten sollte. Magnesium und seine Effekte auf unbeschreiblich viele Systeme im Körper mit anderen Substanzen ist nur ein weiteres Beispiel dafür. Weltweit gibt es laut Schätzungen etwa 2-3 Milliarden Menschen mit Anämie und auch Vitamin D Mangel ist weltweit und vor allem in industrialisierten Ländern ein Massenproblem [9,10]. Gut ist es auf jeden Fall zu wissen, dass vor allem bei Menschen mit Anämie oder bei Schwangeren sowohl Vitamin D, als auch gute Eisenquellen gegenseitig helfen können.

Vitamin D Anämie

Kritische Betrachtung:

Azizi-Soleiman F. et al. wiesen darauf hin, dass mehr Studien mit größeren Probandenzahlen nötig wären, um wirklich klare Aussagen treffen zu können. Viele Studien zeigen widersprüchliche Ergebnisse, die jedoch häufig mit dem Aufbau der Arbeiten zusammenlagen.

Während man sich darüber streiten mag, ob orales Vitamin D die beste Lösung für einen Mangel sein mag oder welche weiteren Einflüsse das empfindlich robuste Gleichgewicht in unserem Körper aus der Balance schlagen können, gibt es unter anderem mehr und mehr Literatur darüber, dass Lactoferrin vielen Eisenpräparaten gegenüber überlegen zu sein scheint. Ein Übermaß an Eisen ist ebenso schädlich wie ein Defizit und zu viel Eisen im Körper sorgt unter anderem im Darm für Dysbiosen der Darmflora. In den Studien wurde klar, dass neben Vitamin D und Eisen auch andere Faktoren eine Rolle spielen. Hohe entzündliche Marker, erhöhter Stress und eine Mangelernährung wären nur ein paar Beispiele. Sicherlich sollte man bei Bedarf klug supplementieren, doch einer der größten Schritte bleibt, seine Lebensweise in kleinen anwendbaren Schritten zu verbessern. Ein gesunder Schlaf und ein Spaziergang an der frischen Luft können beispielsweise manchmal Berge versetzen.

Quellenangabe:

  1. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/19106323
  2. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2840674/
  3. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/19948571
  4. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5159690
  5. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3382701/
  6. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3676817/
  7. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/6296889
  8. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5722851/
  9. MacDonald C, Mildon A, Neequaye M, Namarika R, Yiannakis M. Women’s Health in the Majority World: Issues and Initiatives. New York: Nova Science Publishers Inc; 2007. Anemia-can its widespread prevalence among women in developing countries be impacted? A case study: Effectiveness of a large-scale, integrated, multiple-intervention nutrition program on decreasing anemia in Ghanaian and Malawian women; pp. 65–107.
  10. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4018438/