Vitamin D und Darmdiversität: Wenn einem die Sonne aus dem Darm scheint
Auf einen Blick
- Hohe Dosen, 34.000-68.000 IU/Woche, an Vitamin D hatten über 8 Wochen einen signifikanten Effekt auf die Darmdiversität der Probanden
- Potentiell opportunistische Bakterienstämme wurden unterdrückt, während die Diversität im Darm anstieg
- CD8+ T-Zellen wurden verstärkt ausgeschüttet (= immunologische Stimulierung), was in direkte Verbindung mit den Veränderungen im Darm gebracht werden konnte
- Keine Nebenwirkungen wurden während der Studie beobachtet
- Probanden mit H. Pylorus (n=3) hatten nach der Studie eine geringere bakterielle Belastung
- Probandenzahl lag bei 16 (15 schlossen die Studie ab) – geringe Probandenzahl
- Vitamin D ist ein multifunktionales Vitamin (Hormon). Menschen sind im Darm und bei ihrer Gesundheit stark individuell. Bei therapeutischen Behandlungen sollte das stets beachtet werden
- Die Studie wurde mit „gesunden“ Probanden durchgeführt
Effekte von oralem Vitamin D auf die Darmgesundheit
Dass unser Darm eine tragende Rolle für unsere Gesundheit spielt, ist seit ein paar Jahrzehnten mehr und mehr ans Licht gekommen. Immer deutlicher wird, wie sehr unser inzwischen als “zweites Gehirn“ bezeichnetes Verdauungssystem durch unser Umfeld beeinflusst wird und wie sehr wir selbst dadurch uns wohler fühlen oder leiden.
In einer Studie (2015) von Mina Bashir et.al. wurde an Probanden untersucht, ob orales Vitamin D einen Effekt auf die Darmdiversität hat. Bekannt war inzwischen in anderen Studien, dass Vitamin D eine wichtige Rolle bei entzündlichen Darmerkrankungen spielt [1,2] – doch gibt es dabei direkte Effekte auf die Darmflora? Aus Liebe zur Wissenschaft wurden 16 Probanden für eine Dauer von 8 Wochen in den ersten 4 Wochen mit maximal 68.000 IU/Woche und im Anschluss mit maximal 34.000 IU/Woche oralem Vitamin D versorgt. Die Dosis wurde abhängig vom Körpergewicht der Person individuell ermittelt.
Nach den 8 Wochen wurden alle Patienten erneut untersucht. Von den 16 Teilnehmern schlossen 15 die Studie ab – eine Person musste aus persönlichen Gründen absagen. Nebenwirkungen wurden während der Studie nicht festgestellt. Drei Patienten wurden zu Beginn der Studie mit H. Pylorus-Infektion diagnostiziert und separat beobachtet.
Nicht nur Stuhlproben wurden analysiert, sondern das gesamte Verdauungssystem des Körpers wurde vom Magen abwärts biopsiert und beobachtet. Grund dafür war unter anderem die wachsende Erkenntnis, dass Stuhlproben nicht aussagekräftig für den gesamten Darm sind, sondern mehr der Zusammensetzung des Dickdarms entsprechen, während der restliche Darm großteils verborgen bleibt [3]. Für großangelegte Studien wäre es jedoch wohl meist zu aufwändig und kostspielig bei jedem Teilnehmer einer Studie mehrere Biopsien zu entnehmen.
Die Ergebnisse waren sehr positiv. Nicht nur hatten sich opportunistische bakterielle Stämme wie Pseudomonas spp. (GC, P = .0280; GA, P = .0061; DD, P = .0316) und Escherichia/Shigella spp. (GC, P = .0022; GA, P = .0078; DD, P = .0190) zurückgezogen – die Darmflora selbst hatte sich in ihrer Vielfalt (Darmdiversität) vermehrt – ein wichtiges Zeichen für einen gesunden Darm. Als einen Grund haben die Forscher dafür unter anderem die erhöhte Aktivität von CD8+ T-Zellen angegeben. Ausgestattet mit einer großen Menge an Vitamin-D-Rezeptoren wurden sie durch die supraphysiologische Dosis besonders stimuliert. CD8+ T-Zellen sind ein wichtiger Bestandteil der ersten Verteidigungslinie des oberen Abschnitts unseres Darms (im Gegensatz zu weiter unten liegenden Abschnitten) [4]. Zusätzlich wurde nicht nur bei den drei Probanden mit H. Pylorus-Infektion, sondern im Generellen eine Reduktion an H. Pylorus festgestellt. Veränderungen im Darm fanden primär im oberen Abschnitt des Darmes statt, während ab dem terminalen Ileum (Abbildung TI) sich nichts mehr veränderte. Vor allem bei Erkrankungen wie SIBO (Dünndarmfehlbesiedelung bei einem Reizdarmsyndrom) ist genau der obere Bereich des Darmes als Therapiestelle von großem Interesse. Bleibt zu hoffen, dass weitere Studien mit oralem Vitamin D und der Darmflora des Menschen durchgeführt werden.
Kritische Betrachtung:
Während die geringe Probandenzahl verständlich ist, spielt sie jedoch vor allem bei Thema Darm eine relevante Rolle. Menschen sind unterschiedlich und so wie wir uns in diesem Bereich sehr stark von Mäusen unterscheiden, sind wir auch untereinander sehr unterschiedlich, wenn es knapp über die Gürtellinie geht. Ebenfalls sind 8 Wochen keine Aussage für langfristige Auswirkungen und therapeutische Eingriffe. Patienten sollten bei einem vergleichbaren Eingriff mit sehr hohen Dosen an Vitamin D darauf hingewiesen werden, dass es hier nicht um eine Dauersupplementierung geht. Zusätzlich sollte man außerdem eine erhöhte immunologische Aktivität stets mit einer kontrollierten Euphorie betrachten. Eine stärkere Aktivität kann zur gleichen Zeit auch eine erhöhte Notwendigkeit signalisieren. Es ist nicht auszuschließen, dass Vitamin D in seiner künstlichen oralen Form und in einer unnatürlich hohen Dosis einen Stressor für unser Immunsystem darstellen könnte. Last but not Least wurde die Studie bei gesunden Probanden durchgeführt.
Quellenangabe:
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3036961/
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4427008/
- http://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0055817
- http://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0080362