Unsere innere Uhr und unsere Organe

Auf einen Blick

  • Schon in alten medizinischen Traditionen wie TCM wurde bereits ein Bezug zu Organen und unserer inneren Uhr gezogen
  • Die zentrale Schaltstelle sitzt dafür in unserem Gehirn und hat einen großen Einfluss auf den gesamten Körper
  • Jeden Tag orientiert sich unser Körper neu an seinem Umfelde
  • Vor allem Licht, abgesehen von anderen Einflüssen, spielt dabei eine große Rolle
  • Schichtarbeit und Jetlag sind bekannt dafür, unseren Stoffwechsel zu belasten, Schlafstörungen zu provozieren und für Stress im Organismus zu sorgen
  • Studien zu Leberfunktion und Darmdurchlässigkeit (Reizdarm) unterstreichen diese Befunde
  • Nicht nur Extreme wie Jetlag sind jedoch für solche Symptome verantwortlich. Dank moderner Technologie sind wir jeden Tag aufs Neue dazu in der Lage, unseren Körper aus dem Biorhythmus zu bringen
  • Vor allem bei Kindern, die in unserer reizüberfluteten Welt leben müssen, sollte mehr Acht gegeben werden und für ein gesundes Maß an Stimulierung und Entspannung gesorgt werden
Alte traditionelle Medizin hatte den Patienten als Ganzes im Auge

Tickst du noch ganz richtig?

Dass Organe wie Leber, Lunge oder Darm eine innere Uhr besitzen, ist ein jahrtausendealtes Wissen der Medizin. Schon lange bevor zirkadiane Rhythmen bzw. unser Biorhythmus durch moderne Forschung untersucht wurden, waren in Texten aus der traditionellen chinesischen Medizin bereits Bezüge zwischen Körper und Tageszeit hergestellt worden. Wurde jemand regelmäßig um 3 Uhr morgens wach, konnte das einen Bezug zur Leber besitzen und so weiter. Was jedoch früher im Einklang mit einem natürlichen Umfeld beobachtet werden konnte, wird in der heutigen Welt gerne auf die Probe gestellt. Schichtarbeit, Jetlag und künstlich erhellte Nächte in Großstädten sind keine Seltenheit mehr. Doch dass uns Licht nicht nur vom Durchschlafen abhält, sondern gleich alle unsere Organe bis auf die Zellebene beeinflusst, hatte man bei der Entdeckung der Glühlampe vor etwa 100 Jahren wohl nicht erwartet.

Wir alle haben einen Schrittmacher im Gehirn. Der suprachiasmatische Nukleus (SCN), direkt im vorderen Bereich des Hypothalamus gelegen, ist der Taktgeber des Körpers [1]. Vergleichbar mit einem Trommler auf einer Galeere aus alten Filmen, gibt er den primären Abläufen in unserem Körper einen Tag/Nacht-Rhythmus. Dabei dienen vor allem Lichteinflüsse auf unsere Augen als Orientierung für den SCN [2].

Although the details are unclear, the SCN seems to coordinate the clocks throughout the body using a combination of neural and humoral cues (Dibner et al., 2010) and temperature (Buhr et al., 2010). […] The adverse effects of shift work and jet lag are thought to be mediated by misalignment between the external environment and the internal circadian system (Reid and Zee, 2009). Based on our findings, we speculate that such perturbations may also cause misalignment between the clocks throughout the body.  [Studie]

Unser täglicher Rhythmus ist nicht fix. Jeden Tag reguliert sich unsere innere Uhr neu und orientiert sich vor allem anhand externer Einflüsse [3]. Dabei werden unterschiedliche Organe und ihre Aktivität mit beeinflusst. Genaue (empirische) Studien zu Organuhren sind heutzutage kaum noch möglich, aufgrund der starken Präsenz künstlicher Beleuchtungen. Vermutlich kann man jedoch darauf vertrauen, dass eine Adaption natürlicher Lichtverhältnisse ein guter Taktgeber für unseren Körper ist. So zeigen Studien, dass beispielsweise durch chronische Abweichungen von einer solchen Norm die Leistungsfähigkeit der Leber signifikant einschränkt wird. Das ist durchaus relevant, da unsere Leber neben unserem Energiestoffwechsel ebenso verantwortlich für Entgiftungsprozesse, Immunsystem und Sexualhormon-Synthese verantwortlich ist [4].

A wide variety of processes throughout the entire gastrointestinal tract and notably the liver appear to be under circadian control. These include various metabolic functions such as nutrient uptake, processing, and detoxification, which align organ function to cycle with nutrient supply and demand. Remarkably, genetic or environmental disruption of the circadian clock can cause metabolic diseases or exacerbate pathological states. In addition, modern lifestyles force more and more people worldwide into asynchrony between the external time and their circadian clock, resulting in a constant state of social jetlag. Recent evidence indicates that interactions between altered energy metabolism and disruptions in the circadian clock create a downward spiral that can lead to diabetes and other metabolic diseases. [Studie]

Kein Wunder also, dass es eine stetig wachsende Anzahl an Studien gibt, die Störfaktoren wie Schichtarbeit als gesundheitsschädlich auf unsere innere Uhr darstellen [5,6]. Doch nicht nur solche Extreme wirken auf uns. Sitzen wir noch spät abends vor dem Fernseher oder im Büro am Computer unter elektrischem Licht und vor dem Bildschirm, erhält unser Körper durch den visuellen Impuls ein Signal, dass es Tag ist [7]. Dadurch werden viele Prozesse, die während der Nacht ablaufen immer weiter verschoben. Alleine Studien zur Ausschüttung von Melatonin weisen darauf hin [8]. Melatonin ist dabei gebunden an eine große hormonelle Kaskade, die während der Nacht dafür sorgt, dass wir in Ruhe schlafen und regenerieren können [9]. Chronisch verändern wir damit nicht nur einen uralten Mechanismus, sondern halten uns immer weiter aktiv und wach, während wir Entspannung und Entlastung reduzieren sollte. Auf Dauer führt es neben Schlafstörungen selbstverständlich auch zu einer verminderten Leistungsfähigkeit, schlechterer Gedächtnisfunktion und einem immer mehr eingeschränkten Stoffwechsel [5,6].

Wenn die Nacht zum Tag wird

Reizdarm, Reizüberflutung und reizende Kinder

Moderne Zivilisationen haben viele Krankheiten in ihre Schranken weisen können. Während Pest und Cholera sich im Hintergrund halten, steigt aber die Anzahl an chronischen Krankheiten wie Diabetes mellitus Typ 2 [10]. Unser Darm und seine Erkrankungen sind in den letzten Jahren ein großes Thema in der Diagnostik und Therapie geworden. Chronischer Stress, eine nährstoffarme Ernährung voller Toxine und anderer fremden Stoffe sind dabei sicherlich große Risikofaktoren. Zusätzlich dazu weisen aber Studien darauf hin, dass der ungesunde Umgang mit Licht hier ebenso seine Finger im Spiel hat:

Several key points support a role for circadian regulation of intestinal permeability and possible pathology including: 1) The core circadian clock molecular machinery is within essentially all the tissues and organs of the body including the central circadian clock in the SCN, and intestinal epithelial cells (Hastings et al., 2003Hoogerwerf et al., 2007Mohawk et al., 2012Yoo et al., 2004); 2) The SCN regulates and coordinates the expression and timing of peripheral circadian molecular rhythms, possibly including brain-gut interactions of the so-called “brain-gut axis” (BGA) (Bass & Takahashi, 2010Mohawk et al., 2012); 3) The BGA can regulate intestinal permeability, and disruption of the BGA by physical and psychological stress can cause gut leakiness in both humans and rodents (Gareau, Jury, MacQueen, Sherman, & Perdue, 2007Stasi & Orlandelli, 2008) [Studie]

In diesem Artikel sind weitere Informationen über die Interaktionen unseres Immunsystems, unserem Mikrobiom und unsere innere Uhr zu finden. Reizüberflutung und Zeitdruck sind häufig unbeachtete Komponenten im Gesundheitsbereich. Während moderne Geräte nicht mehr aus der heutigen Zeit wegzudenken sind, sollten wir beginnen zu verstehen, wie sehr unsere uralten internen Systeme mit unseren kulturellen Entwicklungen manchmal zu kämpfen haben. Ein elektrischer Detox (eine Woche ohne Internet, Handy und Social Media), Kerzenschein am Abend statt elektrische Lichter – ein kühles Schlafzimmer und eine warme Decke, entspannende Musik am Abend und ein frühes Abendessen, das nicht zu schwer im Magen liegt, sind viele einfache Veränderungen im Lebensstil, die weitreichende Effekte zeigen können. Vor allem für Kinder ist ein gesundes Umfeld und ein Gleichgewicht aus Stimulierung und Entlastung wichtig für eine gute, normale Entwicklung [11,12]. Während wir früher draußen an der frischen Luft gespielt haben, bekommen heutzutage Kinder bereits in sehr jungen Jahren ihr erstes Handy – ganz zu schweigen von anderen elektrischen Geräten. Licht und auch andere Frequenzen sind für uns ein Stimulus. Unter falschen Umständen oder in falschen Mengen, wird jeder Stimulus zu einem Stress. Chronisch geht so etwas selten gut.

Quellenangabe:

  1. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3758475/
  2. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3710582/
  3. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC1369272/
  4. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/6360063
  5. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4734786/
  6. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4436793/
  7. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/26900325
  8. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4734149/
  9. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/15352385
  10. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3031942/
  11. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3409385/
  12. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3170902/