Ist Milch gesund?
Für manche ist Milch ein Muss für Kaffee oder Tee. Andere brauchen es im Müsli oder trinken einfach so gerne mal ein Glas davon. Andere wiederum vertragen keinen einzigen Tropfen und im Internet gibt es Unmengen an Artikeln, die dieses weiße Getränk anpreisen oder verteufeln. Auf der einen Seite soll es Knochen kräftigen, Körperfett reduzieren, Nährstoffe liefern und grundsätzlich einfach ein solides Fundament unserer Ernährung sein. Auf der anderen Seite soll es auf verschiedenen Wegen die Lebenserwartung verkürzen, krank und sogar abhängig machen! Was stimmt aber nun? Ist Milch gesund oder ungesund?
Milch: Ein Rohstoff braucht gute Rohstoffe
Unterschiedliche Tiere produzieren Milch. Ziegen, Kühe – sogar die Milch von Kamelen ist in manchen Supermärkten und in unterschiedlichen Ländern zu finden. Damit ein Tier jedoch Milch für seinen Nachwuchs, Supermärkte oder Menschen produzieren kann, muss es erstmal Pflanzen fressen. Was recht unspektakulär klingen mag, gibt uns jedoch den ersten großen Punkt, an den wir zu denken haben, wenn wir über den Wert von Milch reden wollen. Wenn beim Menschen behauptet wird, dass er zu dem wird, was er isst, trifft diese Aussage wohl auch auf andere Lebewesen zu. Pflanzen, als eigener faszinierender lebendiger Organismus, sind ein absolutes Qualitätskriterium für Milchqualität. So wie alle Lebewesen, sind auch Gras und Co. nicht sonderlich daran interessiert, gefressen zu werden und so wie eigentlich jeder lebende Organismus reagieren und adaptieren auch sie sich soweit möglich an alle möglichen Gefahren und Situationen [1]. Unter Farmern ist beispielsweise eine Klee-induzierte Unfruchtbarkeit von Farmtieren bekannt [2]. Die enthaltenen Phytoöstrogene in Klee sorgen für eine erhöhte Rate an Fehlgeburten und Unfruchtbarkeit in Tieren.
Gleichzeitig ist inzwischen bekannt, dass ein Exzess an Östrogenen bei Mensch und Tier potentiell schädlich wirkt [3,4]. Abgesehen davon zählen natürlich auch Pestizide, Schwermetalle und alle weiteren Toxine als beeinflussender Faktor [5]. Pflanzen bilden Abwehrstoffe, um für Fressfeinde weniger appetitlich zu sein, oder um ihnen durch bestimmte Toxine subtil davon abzuraten, weiter an ihnen zu knabbern. Sie verändern ihren Aufbau, um der Belastung durch Pestizide entgegen zu wirken. Ein weiteres recht simples Beispiel eines solchen Stoffs wäre etwas mit dem Namen Chitinase – ein Enzym, das Chitin zerlegt und damit für viele Insekten ab einer gewissen Menge tödlich wirkt. Es wird von Pflanzen als Schutz vor Fressfeinden produziert. Auch bei größeren Tieren und Menschen wurde jedoch inzwischen festgestellt, dass dieses Enzym in höheren Mengen durchaus schädlich wirken kann [6].
Specifically, both chitinases and chitinase-like proteins have been linked to an alternative activation (M2) phenotype of macrophages [21,1,22], which is found in asthma and other chronic diseases, such as cystic fibrosis (CF), providing a rationale for chitinases and chitinase-like proteins to play a role in these disease conditions. While chitotriosidase is used as disease biomarker for Gaucher disease, a disease characterized by the accumulation of lipid-laden macrophages, acidic mammalian chitinase has been linked to allergic asthma and hypersensitivities [23]. [Studie]
Veränderte Pflanzen, ob durch Gentechnik oder durch den exzessiven Einsatz von Pestiziden sind dadurch etwas völlig anderes, als normales, wild wachsendes Gras. Damit ist es leicht zu verstehen, dass diese adaptiven Nahrungsmittel für Herbivoren sehr wohl eine Rolle spielen, wenn es um die Gesundheit des Tieres oder seine produzierte Milch geht. Bei Menschen ist es übrigens bei der Bildung von Muttermilch nicht anders. Abhängig davon, wie es der Mutter geht und was sie zu sich nimmt, verändern sich die Inhaltsstoffe der Muttermilch. Natürlich immer mit einigen zentralen Grundstoffen. Dass damit aber die Milch von Freilandkühen sich drastisch von der Milch unterscheiden kann, die von Tieren aus Käfigen mit industriellem Tierfutter kommt, ist klar und sogar nachweisbar [7]. Nicht die Milch selbst also ist in diesem Fall gut oder schlecht, sondern vielmehr die Rohstoffe für den Rohstoff. Was ist aber mit den bereits erwähnten Phytoöstrogenen, potentiell schädlichen Enzymen und anderen Stoffen, die in Pflanzen zu finden sind – geraten die nicht in die Milch?
Milch: Tierische Filterung von Toxinen
Milch ist generell eine interessante Substanz, wenn man etwas mehr darüber nachdenkt. An sich ist unverarbeitete Milch eines der ursprünglichsten Nahrungsmittel, das Säugetiere ihrem Nachwuchs geben. Generell kann man wohl davon ausgehen, dass Lebewesen ihre Nachkommen nicht vergiften möchten. Frisch geborene Lebewesen haben meist noch viele Baustellen im Körper. Darunter finden sich unter anderem viele wichtige Systeme des Immunsystems [8]. Sie direkt festen Nahrungsmitteln mit allen möglichen natürlichen oder künstlichen Giftstoffen auszusetzen ist damit eine gefährliche Idee. Schlauerweise werden im Körper einer Kuh viele potentiell pathogene Stoffe aus den Rohstoffen der Milch herausgefiltert, bevor sie überhaupt dem Kalb zur Verfügung steht [9]. Ist also eine Kuh gesund und bekommt artgerechte Nahrungsmittel, ist die produzierte Milch sogar im Vergleich zu normalem grünem Gemüse weitaus weniger belastet mit möglichen toxischen Stoffen [10,11]. Milch ist an sich tierische Nahrung für frisches, naives Leben. Damit muss es arm an Giftstoffen, reich an Nährstoffen und unterstützend für Entwicklung sein. Alles andere wäre viel zu riskant. Menschen sind aber keine Kälber, oder?
Milch: Nährstoffe und unterstützende Faktoren für Nachkommen
Nehmen wir als erwachsene Menschen eine Mahlzeit zu uns, findet in unserem Körper ein Feuerwerk an Zerlegung, Verwertung, Entgiftung, Aufnahme und Ausscheidung statt. Unser Verdauungssystem ist an sich eine gewaltige intelligent eingebaute Selektionsstruktur, die uns versucht, das zu geben, was wir brauchen. Würde hier etwas nicht so funktionieren, wie es soll, hätten wir ziemlich schnell ein spürbares Problem. Dieser immense Ablauf hat seit Ewigkeiten die Forschung und Medizin fasziniert. Dass andere Lebewesen aber etwas Vergleichbares besitzen, gerät gerne mal in Vergessenheit. Um Milch für den Nachwuchs zu produzieren, werden die Aminosäuren aus der Nahrung, zusammen mit weiteren relevanten Nährstoffen im Rumen der Kuh selektiv absorbiert.
Schon hier werden einige der natürlichen und unnatürlichen Giftstoffe bereits aussortiert. Angekommen im Blutkreislauf filtert die Leber der Kuh die Inhaltsstoffe ein weiteres Mal durch, bevor bestimmte Nährstoffe selektiv im Euter landen und dem Nachwuchs als Nahrung dienen. Das Erstaunliche daran ist, dass Kühe eigentlich die Nährstoffe von pflanzlicher Nahrung aufspalten, sie von Toxinen bestmöglich befreien und im Anschluss konzentriert weitergeben. Vergleichbar also mit einer ziemlich “vegetarischen Filteranlage“. Neben den Nährstoffen aus der eigentlichen pflanzlichen Nahrung, kommen noch weitere Stoffe hinzu, die beispielsweise dem Kalb dabei helfen sollen, ein gesundes Immunsystem zu entwickeln. Dazu gehören unter anderem Lactoferrin, aber auch unterschiedliche Immunglobuline und vieles mehr [12,13].
Protein requirements during pregnancy increase, particularly during the last 2 mo. Colostrum is a source of immune components and nutrients to the neonate and contains more protein, immunoglobulins (Ig), nonprotein nitrogen, fat, ash, vitamins, and minerals than does milk. Because some vitamins do not cross the placental barrier, colostrum is the primary source of these nutrients for the calf after birth. [Studie]
Immune complexes formed between IgG and the milk protein beta-lactoglobulin have detected in bovine colostrum and in the serum of young calves. Complexes were present in all calves studied and the data suggest that they were passively acquired during suckling. […]The results suggest that transient autoimmunity to milk and the transfer of milk protein complexes from mother to young are normal events in cattle. An immunosuppressive role for the immune complexes in postulated. [Studie]
Interessant ist, wie sehr im ersten Zitat die Nährstoffdichte von Erstmilch (Kolostrum) hervorgehoben wurde. Nicht nur Mineralien, Makronährstoffe und Vitamine waren dabei erhöht, sondern auch Substanzen, die das Immunsystem beeinflussen konnten. Das zweite Zitat aus einer Studie von 1981 mag man dabei sehen, wie man möchte. Interessant sind jedoch die Beobachtungen, dass die immunologisch relevanten “Zusätze“ der Milch selbst bei unausgebildeten Immunsystemen wie denen von Kälber dafür sorgen konnten, dass sie die Milch gut aufnehmen konnten. Mit anderen Worten ist ursprüngliche Milch also ein immunologisch unterstützendes Nahrungsmittel für Kinder und Kälber.
While the differentially expressed loci comprised 67 genes encoding proteins relevant to metabolism or metabolic adaptation, the most distinct difference between the two groups was the consistently lower activation of the immune system in calves that experienced restricted milk access compared to calves fed milk ad libitum. In conclusion, different early life milk diets had significant prolonged effects on the intestinal immune system. [Studie]
(Mutter-)Milch scheint also nicht nur bei menschlichen Müttern, sondern auch bei Kuh und Kalb eine ziemlich wichtige und schlaue Idee der Natur gewesen zu sein. Die Studienlage zeichnet eigentlich ein klares Bild: Qualitativ hochwertige und weitgehend naturbelassene Kuhmilch ist in vielerlei Hinsicht ein Mehrwert an Nährwert für Konsumenten. Das, was Milch eigentlich schädlich machen kann, ist primär die industrielle Verarbeitung und die Haltung der Tiere – nicht der Rohstoff selbst. Das Gleiche gilt natürlich für wertvolle Nahrungsmittel wie Whey-Protein und Kollagen. Beides kann leicht verdaulich und von großem Mehrwert für uns sein – vorausgesetzt die Produktion ist entsprechend hochwertig. Liegt uns ein Milchprodukt schwer im Magen kann das durchaus am Hersteller liegen und nicht an unserem Verdauungssystem oder möglichen Unverträglichkeiten. Doch was ist mit Laktoseunverträglichkeit, abhängig machenden Stoffen in Milch und anderen Argumenten, die durch das weltweite Netz kursieren? In diesem Artikel nehmen wir diese Themen etwas mehr unter die Lupe.
Quellenangabe:
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/18707262
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/6762423
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3181833/
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2943181/
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3545796/
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4530573/
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5867610/
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5785999/
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/6373706
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3153292/
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4289646/
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/18292252
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5785999/