Von Durchfall bis Darmkur

Darmgesundheit

Was baut den Darm auf, was macht ihn krank?

Womit verbinden wir den Darm? Verdauung. Blähungen. Sodbrennen. Dreck. Bakterien. Stuhlgang. Dem Ausscheiden von unnötigen Resten unserer Mahlzeiten. Von dem Drang auf die Toilette zu gehen, über Entgiftung bis hin zu unangenehmen Gerüchen hatte jeder Mensch auf dieser Welt bereits schon mindestens einmal Bekanntschaft mit seinem länglichen Organ für Verdauung gemacht. Vor nicht einmal einem Jahrzehnt hätte kaum einer geahnt, wie wunderschön, komplex und unglaublich wichtig unser interner Schlauch und seine unzähligen Bewohner / Darmbakterien tatsächlich sind. Vor nicht mal einem Jahrhundert empfahlen Ärzte ihren Patienten aufgrund „schädlicher“ Einwohner, Teile des Darms zu entfernen. Wir würden heutzutage vermutlich den Kopf schütteln bei solchen Geschichten, doch wer sagt, dass wir in hundert Jahren nicht dasselbe von uns denken? Also aufgepasst, denn Wissen ändert sich teilweise schneller als wie wir recherchieren und lesen können. Deshalb machen wir uns die Mühe neueste Daten zu recherchieren, damit man nur noch lesen muss.

Die Sichtweise über unsere kleinen Mitbewohner veränderte sich durch Fortschritte in der Analyse unseres Darmmilieus dramatisch in den letzten Jahren. Viele unserer internen Mitstreiter sind anaerobe Bakterien (ohne Sauerstoff), die lange Zeit nicht in einem Labor untersucht werden konnten (mit Sauerstoff). Erst vor einigen Jahren kam es zu einer Wende. Der Grund, warum die Darmflora damals erneut Wissenschaftler interessierte war der negative Einfluss von Antibiotika auf unseren Darm und damit auf unsere Gesundheit. War es doch nicht eine gute Idee, den Darm frei von „Schmutz“ zu halten bzw. komplett zu reinigen? Das „Human Microbiome Project“ wurde ins Leben gerufen. Molekulare Testverfahren der Neuzeit brachten uns einen Schritt weiter. Inzwischen sind wir uns recht sicher, dass wir etwa 1,3-mal so viele intestinale Mikroorganismen besitzen, wie Zellen in unserem gesamten menschlichen Körper. Zahlenmäßig sind wir im Grunde genommen unserem Darm also unterlegen. Um das ein wenig zu unterstreichen: Ein Mensch besteht aus etwa 10 Billionen Zellen. Wir sind also zellenmäßig mehr Bakterien, als Mensch. Bakterien hinterlassen in unserem Kopf einen schmutzigen Nachgeschmack. Bakterien sind verantwortlich für viele Krankheiten und Infektionen und Hygiene war ein wichtiger Bestandteil eines gesunden Lebens. Das sind sie immer noch! Aber das ist nicht die gesamte Geschichte. Inzwischen sind wir klüger und auf Kongressen werden einzelne Folien mit einer einzigen Aussage gezeigt:

Spielt im Dreck!

Wie kam es zu dieser Wende von Sauberkeit zu Sauerkraut? Was macht unseren Darm so besonders?

Zum einen ist es die zentrale Schranke zwischen den Nährstoffen die wir uns über den Mund zuführen und unserem eigenen Körper. Wer also keine Apfelstückchen mit Magensäure im Blut haben möchte, hat das seiner Darmwand zu verdanken. Zum anderen ist es das Königreich unserer Darmflora. Genau diese ehemaligen Sündenböcke stehen in unserer heutigen Zeit im Zusammenhang mit Gewichtszunahme und -abnahme, Krankheit, Gesundheit und Verhalten ihres Wirtes– sowohl gut, als auch schlecht. Hätte vor einigen Jahren jemand erzählt, dass das Transplantieren von Stuhl eines gesunden in einen kranken Menschen einen therapeutischen Effekt haben würde, wäre er für verrückt erklärt worden. Heutzutage wird bereits überlegt, für welche Bereiche unsere neu gewonnenen bakteriellen Freunde noch nützlich wären (zum Beispiel für die Erzgewinnung), Wäre eine spezifische Darmarznei bald kein Neologismus mehr? Was wissen wir über die versteckten Tiefen unseres eigenen Inneren? Wie ist der Darm nun wirklich im Detail aufgebaut? Gibt es bald doch Glück und Idealgewicht aus der Bakterien-Pille?

Teil 1 – Darmbakterien und Ernährung: Wir sind, was du bi(s)st

Dass Ernährung eine Säule jeglicher Bauchgesundheit, Verdauung und Darmsanierung darstellt, ist inzwischen kaum noch zu bestreiten. Überall im Darm schwimmen Bakterien, Viren und Pilze umher, die sich von dem ernähren, was wir ihnen zuführen. Dabei sind sie nicht selbstsüchtig, sondern produzieren unter anderem Vitamine wie B12, essentielle Aminosäuren wie Tryptophan und andere wertvolle Nährstoffe wie kurzkettige Fettsäuren, die unsere Darmwand unterstützen und intakt halten können [1,2,3]. Durch eine ständige Interaktion mit unserem Immunsystem lernen wir, uns besser zu schützen und zu adaptieren. Wichtige immunologische Faktoren wie die Bildung von Toll-like Rezeptoren, CD4+ T Zellen und vielem mehr verdanken wir unserem Mikrobiom [4]. Sogar unser Tag-Wach-Verhalten bzw. circadianer Rhythmus kann durch Veränderungen in der Ernährung und seinen Auswirkungen auf unsere Darmbewohner beeinflusst werden [5]. Doch bei all der Euphorie hat diese Medaille natürlich auch eine Kehrseite. Stark verarbeitetes Essen, Toxine und hormonähnliche Substanzen, gestresster Lebensstil und vieles mehr kann zu einem Ungleichgewicht führen, das nicht nur unsere Bakterien und unsere Verdauung, sondern uns gleich mit krank und depressiv machen kann [6,7,8]. Mehr und mehr wird klar, wie sehr wir nicht gegen oder ohne Bakterien leben, sondern vielmehr versuchen sollten, sie besser zu verstehen, um mit ihnen zusammen an unserer gegenseitigen Gesundheit zu arbeiten.

Klare Empfehlungen zu Ernährung und unserem Mikrobiom sind schwierig. Egal, ob es um Abnehmen, Entgiftung, oder Reizdarm geht. Nicht jeder Mensch kommt vom gleichen Kontinent, trägt dieselben Bakterien mit sich und besitzt einen gleichen Alltag. Veränderungen in der Ernährung können binnen 24 Stunden das gesamte Mikrobiom auf den Kopf stellen [9,10]! Trotz einer gewaltigen Menge an Kontext, lassen bis heute Studien allerdings ein paar Empfehlungen zu, die man präventiv handelnden Menschen als generelle Richtlinien in der Ernährung geben kann.

1. Aufbau der Darmflora: Darmdiversität

Extreme sind selten gesund. Zu viel einer bestimmten Bakteriensorte zu besitzen ist inzwischen bekannt dafür, ein Grund für Darmdysbiosen und sogar chronischen Krankheiten zu sein [9,11]. Bakterielle Tyrannei schlägt unserer Verdauung ziemlich auf den Magen. Obwohl seit über einem Jahrzehnt unsere mikrobiellen Mitbewohner große wissenschaftliche Aufmerksamkeit genießen, ist bisher unter ihnen kein Super-Bakterium entsprungen, welches im Alleingang für eine schlanke Figur, ein starkes Immunsystem oder große Leistungsfähigkeit verantwortlich ist. Vielmehr schien sich über die Jahre mehr und mehr zu zeigen, dass unser Darmmileu am besten funktioniert, wenn in ihm ein – geordnetes – Durcheinander an vielen unterschiedlichen Bakterien lebt. Geordnet ist dabei ein wichtiges und widersprüchliches Wort. Wie in einer Studie von 2016 dargestellt wurde, gehen zwar viele wissenschaftliche Arbeiten davon aus, dass eine erhöhte Diversität von Vorteil ist, jedoch scheint neben einer mikrobiellen Vielfalt vor allem auch eine gewisse Stabilität im Darm eine Rolle zu spielen. Dabei können insbesondere auch der immunologische und emotionale Zustand, eine artgerechte Ernährung und weitere individuelle Faktoren eine Rolle spielen. Schließlich haben Darmbakterien einen erheblichen Einfluss auf uns, wir aber auch auf sie! Eine darmfreundliche Ernährung kann und sollte also ruhig abwechslungsreich sein, solange wir nicht kulinarisch jeden Tag von Indonesien, über Indien nach Russland wechseln.

However, as demonstrated in their paper, diversity per se does not necessarily equate to a stable microbiome since a large number of interacting species tends to have a destabilizing effect. In support of this, several studies have found that the gut microbiome of formula-fed infants is more diverse but less stable compared to breast-fed infants.6

Darmsanierung
spätes essen

2. Darmkur durch Sanduhr: Spätes Essen und innere Uhren

So ziemlich jede Zelle in unserem Körper scheint eine innere Uhr zu besitzen. Nicht nur unsere inneren Organe haben circadiane Rhythmen, auch Bakterien in unserem Darm schwingen im Rhythmus unserer Lebensweise. Angepasst daran, wann wir am Tag (oder in der Nacht) essen, passen sich unsere Darmbakterien an. Während ein mikrobielles Durcheinander und Vielfalt seine guten Seiten besitzen mag, stellt eine Unordnung im Lebensstil jedoch ein mögliches Problem dar. Wenn unsere inneren Zeit-Signale nicht gleichmäßig verlaufen, kann damit auch unser Darm verrückt spielen [5,12].

Interestingly, microbiota signaling deficiencies induce a prediabetic syndrome due to ileal corticosterone overproduction consequent to clock disruption.

Durch die Verstoffwechselung verschiedener Nährstoffe und den damit produzierten Vitaminen, Hormonen, entzündlichen oder antientzündlichen Stoffen beeinflussen Bakterien in unserem Darm neben unserem Nährstoffbedarf auch unsere inneren Signalwege und damit können wir sowohl unserem Körper und seiner inneren Uhr helfen, als auch schaden. Auf der einen Seite wiesen Studien beispielsweise darauf hin, dass bestimmte Nahrungsmittel wie kurzkettige Fettsäuren die Leberzellen und die Fähigkeit der Leber zu entgiften beeinflussten [13]. Auf der anderen Seite schienen bestimmte Ernährungsformen besonders stark durch circadiane Veränderungen beeinflussbar zu sein [13,14]. Nicht nur aufgrund unseres Darms scheint jedoch immer deutlicher zu werden, dass schwere Mahlzeiten vor dem Schlafengehen durch verschiedene Aktivitäten einen gesunden Schlaf negativ beeinflussen können. Neben unseren Augen brauchen auch für eine gewisse Zeit unsere Organe für die Verdauung etwas Ruhe [15,16]. “Rest and digest“ scheint vor allem für die Abendstunden und um eine gute Portion Schlaf zu bekommen.

3.Stark verarbeitete Nahrungsmittel

Wenige Ernährungsempfehlungen heutzutage können verallgemeinert werden. Während manche durch fettreiche Nahrungsmittel und Kohlenhydratverzicht beeindruckende Ergebnisse erzielen, fühlen sich andere deutlich wohler bei einem hohen Verzehr von Früchten oder komplexen Kohlenhydraten. Ebenso gibt es Argumente, die das Frühstück direkt nach dem Aufstehen zur wichtigsten Mahlzeit des Tages machen, während viele am Morgen mit lediglich einer Tasse schwarzen Kaffee starten und sich damit sehr wohl fühlen. Das alles mag seine Gründe haben und neben unterschiedlichen alltäglichen Belastungen können hier auch beispielsweise mitochondrialer Haplotyp und andere Faktoren eine Rolle spielen. Einfach gesagt sind sich Menschen zwar recht ähnlich, doch unterscheiden sie sich genauso innerhalb dieses Rahmens.

Wenn es jedoch um Nahrungsmittelqualität und Verarbeitung geht, sind die Aussagen recht eindeutig. Nicht nur fehlen bei Fertigprodukten und Fast Food häufig wichtige Nährstoffe – auch eine hohe Energiedichte und ein Mangel an Ballaststoffen können im Darm langfristig für Dysbiosen sorgen. So wurde unter anderem in einer Studie gezeigt, wie sehr sich bei Probanden durch eine Ernährung von stark verarbeiteten Nahrungsmitteln das intestinale Mikrobiom verändern kann [17]. Vor allem langsam ansteigende entzündliche Prozesse, die häufig erst im späteren Verlauf zu eindeutigen klinischen Befunden werden, wurden hier in Zusammenhang mit einer Ernährung durch stark verarbeitete Nahrungsmittel gebracht.

Understanding that processed foods contain an excess amount of energy and that such foods have the propensity to cause inflammatory responses, the gut microbiota genus and species that were once thought to be ‘healthy’, may in fact be utilizing alternative metabolic pathways and or inducing negative host or gut microbiota inflammatory responses as the host diet evolves from a fresh, whole food diet to a Westernized diet type. Because gut microbiome dysbiosis is initially asymptomatic, these subtle changes within the gut microbiome go unnoticed by the human host and or their primary care physicians until metabolic disorders such as overweight and eventually obesity occur.

Verarbeitetes Essen
Ballaststoffe

4. Ballaststoffe für Darmgesundheit

Grünzeug oder Currywurst? Ein Mangel an Ballaststoffen wurde schon seit langem bei vielen Ernährungsgewohnheiten kritisiert.  Unsere Verdauung braucht schließlich Material! Analysen des Mikrobioms konnten hier weitere Puzzlestücke hinzufügen und die Wichtigkeit von sinnvollen Mengen ballaststoffhaltiger Nahrungsmittel unterstreichen. Viele für uns schwer verdauliche Bestandteile unserer Nahrung sind für einige unserer wichtigen Bakterien im Darm gefundenes Fressen. Unter anderem werden dabei Zwischenprodukte wie kurzkettige Fettsäuren (SCFA) produziert, die der Darmwand helfen intakt zu bleiben, entzündliche Prozesse unter Kontrolle halten, sogar das Gehirn unterstützen, der Verdauung helfen und das Immunsystem entlasten können [4,18].

High fiber diets have numerous reported health benefits in reducing risk of type 2 diabetes, colon cancer, obesity, stroke and cardiovascular disease, making it a widely recommended healthy diet. Many of the reported effects have been associated with the microbiome and its ability to produce SCFA, like butyrate. 

Während das vielleicht manche Menschen mehr davon überzeugen mag, häufiger zu Brokkoli und Blumenkohl zu greifen, ist ein Extrem wie gewohnt selten sinnvoll. Wer Verdauungsbeschwerden, einen aufgeblähten Magen und Verstopfungen vermeiden möchte, sollte den Ballaststoffgehalt langsam steigern und dem Körper die Möglichkeit geben, sich zu adaptieren. Eine Studie von 2009 hatte sogar dazu den Verdacht geäußert, dass ein hoher Konsum an Ballaststoffen durch die Nahrung negative Einflüsse auf die Fruchtbarkeit haben können [19]. Während eine solche Studie sicherlich an vielen Punkten kritikfähig ist, wurde jedoch deutlich gemacht, dass ein “Zu-Viel“ an etwas eigentlich Gutem, gerne auch schädlich wirken kann. Ob durch hormonelle Veränderungen, Belastung durch eine anstrengende Verdauung und einen aufgeblähten Magen oder extreme mikrobielle Veränderungen [20]. Ganz davon zu schweigen, dass manche sich nicht unbedingt wohl fühlen, wenn der Salatbauch nach vorne springt.

5. Toxine, Hormone und Entgiftung

Neben Ballaststoffmangel und hoher Energiedichte sind viele Nahrungsmittel der heutigen Zeit belastet mit hormonähnlichen Substanzen und Giften wie Herbiziden. Da Menschen ebenso Lebewesen wie Pflanzen und Tiere sind, ist es nicht verwunderlich, dass sie ähnlich dadurch beeinflusst werden wie beispielsweise Insekten oder Fische [21,22,23]. Viele der heute verwendeten Giftstoffe können direkt oder indirekt auf uns, unsere Verdauung, oder unsere Darmbakterien wirken. Unter anderem wurde in diesem Artikel beschrieben, wie Glyphosat auf unterschiedliche Art und Weise einen Einfluss auf den Körper haben kann. Darunter wurde ebenfalls erwähnt, dass durch Glyphosat vermehrt die Produktion von Formaldehyd, Ammoniak und anderen Stoffen im Darm gefördert werden kann. Aber auch Östrogen-ähnliche Stoffe in Plastik und anderen häufig verwendeten Utensilien, können uns und unsere Mitbewohner vor allem chronisch stark negativ beeinflussen [23,24].

To date, reported health complications associated with increased levels of BPAexposure include diabetes [59] which is consistent with the report that low levels of BPA inhibit adiponectin release from human adipose tissue [25], cardiovascular disease [59,60], and altered liver enzymes [59]. Also reported in women are correlations between increased BPA levels and recurrent miscarriages [61], and increased numbers of premature deliveries [62].

Plastik und Toxine