Gesättigte Fettsäuren: Freund oder Feind? Teil 1
Eine unersättliche Geschichte
Vor hundert Jahren wäre man vermutlich seltsam von der Seite gemustert worden, hätte man Speck mit Eiern abgelehnt, voller Furcht vor erhöhtem Cholesterin und der Gefahr von Herz-Kreislauferkrankungen. 50 Jahre später sollte sich das ändern, als die Welt und ihre Wissenschaftler den satten Fetten den Krieg ansagten. Studien und Statistiken wiesen eindeutig darauf hin: Der Konsum von gesättigten Fettsäuren stand in direkter Verbindung mit erhöhtem Herzleiden. Ganz vorne stand mitunter Ancel Keys mit seiner bekannten 7-Länder-Studie.
In ihr konnte er eine lineare Linie durch 7 Länder zeichnen, die klar veranschaulichte, dass Butter und Schmalz sich direkt in unseren Arterien anlagerte. Nur hatte er sich nicht nur 7 Länder angesehen, sondern 22. Und 15 unter ihnen hatten nicht in diese Korrelation gepasst. Das goldene Drittel wurde gewählt und sorgte für Ruhm und Ehren – und einer langen Geschichte von weiteren 50-60 Jahren voller Vermeidung von gesättigten Fettsäuren, der Vermarktung von zuckerhaltigen Lebensmitteln ohne viel Fett und der Preisung von gesunden Pflanzenölen mit reichlich Omega-6-Fettsäuren.
Wie alles, entwickelt sich auch die Wissenschaft weiter und im Laufe der Zeit wurde selbst ein solch hartnäckiges Dogma langsam widerlegt. Neue Ernährungsformen wie z. B. die ketogene Ernährung erscheinen überall auf Webseiten und das Feindbild hatte sich um 180° gedreht. Glukose ist nun der Feind. Ob dies stimmen mag, lässt sich sicherlich diskutieren. Doch wenn es um gesättigte Fettsäuren geht, gibt es heute doch einige Entdeckungen, die durchaus für unsere Gesundheit sprechen. Für viele kann der Start in den Tag also nach 100 Jahren Debatte vielleicht wieder beruhigt mit Speck und Eiern beginnen, oder?
Was sind gesättigte Fettsäuren?
Fettsäuren, die alle ihre freien Kohlenstoff-Verbindungen mit Wasserstoff belegt haben, werden biochemisch als gesättigte Fettsäuren bezeichnet. Alle Bindungsstellen sind sozusagen bis oben hin “satt“ mit Wasserstoff belegt. Enthalten sind gesättigte Fettsäuren so ziemlich ich allen Nahrungsmitteln, die eine nennenswerte Menge an Fetten enthalten. Insbesondere Butter, Kokosöl, das Fleisch und Fett von Tieren und vergleichbare Nahrungsmittel enthalten reichlich davon. Gesättigte Fettsäuren sind bei normaler Raumtemperatur fest und generell recht stabil, wenn es ums Braten und Zubereiten von Speisen unter Hitze geht. Wie alle anderen Fette, besitzen sie 9 Kcal pro Gramm an Energie.
Generell kommen keine fettreichen Nahrungsmittel mit ausschließlich einer Fettsäure in der Natur vor. Selbst Nahrungsmittel wie Rindfleisch oder Butter enthalten stets einfach- oder mehrfach ungesättigte Fettsäuren.
Was sagen Studien heute über gesättigte Fettsäuren aus?
Der satte Schrecken entstand aus der Entdeckung, dass Cholesterin unter dem Verdacht stand, Herz-Kreislauferkrankungen zu fördern. Währen dem 20. Jahrundert kannte man weder LDL- noch HDL-Cholesterin – noch die speziellen Einzelheiten dazu. Ebenfalls war man sich noch nicht so sehr darüber im Klaren, wie wichtig Cholesterin für uns ist. Das einzige was man beobachten konnte war, dass beispielsweise in Amerika die Herzerkrankungen aus irgendeinem Grund drastisch anzusteigen schienen (was sie bis heute noch tun) und dass gesättigte Fettsäuren den Cholesterinwert scheinbar ansteigen ließen. Damit war der Feind schnell gefunden, ohne je eine direkte Verbindung zwischen satten Fetten und einem kranken Herzen zu ziehen 1.
Die Welt richtete sich trotzdem danach aus und es brauchte einige Jahrzehnte bis mehr und mehr Studien wiederholt zeigten, dass offensichtlich keine Verbindung zwischen gesättigten Fettsäuren und Erkrankungen wie Arteriosklerose und Diabetes Typ 2 bestand 2
Während es stimmt, dass gesättigte Fettsäuren den gesamt-Cholesterinwert anzuheben scheinen, musste doch bald unterschieden werden. Während LDL-Cholesterin (Low-density-Lipoprotein-Cholesterin) als ungesund galt, war dazu im Unterschied HDL-Cholesterin (high-density-Lipoprotein-Cholesterin) anscheinend sogar gesund fürs Herz 3–5. Während Cholesterin sich bei LDL und HDL nicht unterschied (beides sind nur Proteine, die Cholesterin transportieren – Cholesterin bleibt in jedem Fall Cholesterin), schien LDL doch definitiv nicht das Gelbe vom Ei zu sein. Gleichzeitig stellte man mehr und mehr fest, dass gesättigte Fettsäuren nicht nur LDL- sondern auch HDL-Cholesterin leicht anzuheben schien 2,4. Ganz zu schweigen davon, dass bis jetzt keine direkte Verbindung zwischen gesättigten Fetten und Herz-Kreislauferkrankungen gezogen werden konnte. Ist aber LDL-Cholesterin wirklich schlecht?
Quellenangabe:
- Weinberg. The diet–heart hypothesis: a critique. Journal of the American College of Cardiology 43, 731–733 (2004).
- Hoenselaar. Saturated fat and cardiovascular disease: The discrepancy between the scientific literature and dietary advice. Nutrition 28, 118–123 (2012).
- Ridker, Rifai, Rose, Buring & Cook. Comparison of C-Reactive Protein and Low-Density Lipoprotein Cholesterol Levels in the Prediction of First Cardiovascular Events. The New England Journal of Medicine 347, 1557–1565 (2002).
- Toth. The ‘Good Cholesterol’. Circulation 111, e89–e91 (2005).
- Rahilly‐Tierney, Lawler, Scranton & Gaziano. Low‐Density Lipoprotein Reduction and Magnitude of Cardiovascular Risk Reduction. Preventive Cardiology 12, 80–87 (2009).