Leucin: Muskelaufbau, Muskelerhalt und weitere Funktionen
Auf einen Blick
- Leucin ist eine essentielle Aminosäure mit lebenswichtigen Funktionen
- Bei Sportlern wird es aufgrund seiner unterstützenden Funktion für den Muskelaufbau verwendet
- Bei bettlägrigen oder immobilisierten Patienten scheint Leucin den Muskelerhalt zu unterstützen
- Vergessen sollte man dabei jedoch nicht, dass Leucin start insulinogen wirkt. Unser Insulinspiegel steigt, während wir jedoch keinen neuen Zucker zu uns geführt haben. Damit kann es zu einem Unterzucker kommen
- Die mit Muskelaufbau verbundenen Hormone wie IGF-1 und mTOR werde kontrovers im Bereich der Langlebigkeits-Forschung diskutiert. Während Leucin diese Signalmoleküle zwar für Wachstum stimuliert und damit scheinbar unser Leben verkürzt, ist das ein regulärer Prozess bei vielen anderen Nahrungsmitteln auch. Man könnte meinen, dass Wachstum und Langlebigkeit in der Forschung zwei paar Schuhe sind – ob das stimmt?
Leucin: Wirkung, Muskelaufbau und Antiaging?
Leucin ist eine der bekanntesten essentiellen Aminosäuren, vor allem unter hart trainierenden Sportlern. Schließlich ist ja bekannt, dass Leucin eine wichtige Rolle bei anabolen (aufbauenden) Vorgängen im Körper spielt. Alles was Muskeln aufbaut, hilft natürlich auch beim Abnehmen – zumindest ist das in der Regel eine der Verbindungen, die gerne gezogen werden. Wundervoll! Haben wir es hier also mit einer Aminosäure zu tun, die uns direkt dabei hilft, Muskeln aufzubauen und besser Fett zu verbrennen? Was ist mit den gesundheitlichen Aspekten und der Wirkung von Leucin bei Krankheiten mit Muskelschwund (Sarkopenie)?
Leucin: Was passiert bei einem Mangel?
Leucin als essentielle Aminosäure ist so ziemlich in allen proteinhaltigen Nahrungsmitteln wie Käse und Fleisch enthalten. Neben Methionin ist Leucin eine der Aminosäuren, die vermutlich am meisten auf ihre Wirkung bei einem Mangel untersucht wurde. Dabei wurde oft – vielleicht sogar wider Erwarten – eine Zunahme des Stoffwechsels und eine erhöhte Gewichtsreduktion festgestellt, wenn Leucin in der Nahrung reduziert wurde [1,2]. Leucin und Methionin waren also scheinbar gleichauf, wenn es um den positiven Einfluss auf die Reduktion von Körperfettmasse (tatsächlich nicht Muskulatur) ging.
We previously showed that leucine deprivation decreases abdominal fat mass largely by increasing energy expenditure, as demonstrated by increased lipolysis in white adipose tissue (WAT) and uncoupling protein 1 (UCP1) expression in brown adipose tissue (BAT). The goal of the present study was to investigate the possible involvement of central nervous system (CNS) in this regulation and elucidate underlying molecular mechanisms. [Studie]
Fettsäuren werden mobilisiert, unser Körper beginnt mehr Wärme zu produzieren und der Bauchumfang wird weniger. Das sind sicherlich tolle Ergebnisse, oder? Nun, nicht ganz, denn die hier zitierte Studie geht noch weiter und zeigt anschaulich, wie etwas, das oberflächlich als positiv gewertet werden könnte auf Dauer und eigentlich im Generellen keine gute Idee ist!
Furthermore, we provide evidence that leucine deprivation stimulates fat loss by increasing expression of corticotrophin-releasing hormone in the hypothalamus via activation of stimulatory G protein/cAMP/protein kinase A/cAMP response element-binding protein pathway. Finally, we show that the effect of leucine deprivation on fat loss is mediated by activation of the sympathetic nervous system. These results suggest that CNS plays an important role in regulating fat loss under leucine deprivation and thereby provide novel and important insights concerning the importance of CNS leucine in the regulation of energy homeostasis. [Studie]
Unser Körper kann auf unterschiedlichen Wegen seinen Stoffwechsel kurz- oder langfristig anheben. Ihn unter Stress zu setzen ist dabei eine der eher kurzfristigen Möglichkeiten, die auf Dauer zu einem potentiellen Einbruch durch Mangel und Belastung eines Systems oder Organismus führen kann. Wir zwingen sozusagen unseren Körper dazu härter für sein Überleben zu kämpfen, um weiter zu bestehen, indem wir ihm etwas wie Leucin vorenthalten und bekommen dadurch für eine gewisse Zeit einen “positiven“ Effekt. Langfristig wäre ein solcher Zustand jedoch mit hoher Sicherheit verbunden mit einer Reduktion der Leistung und dem Verlust von Muskulatur und genereller Lebensqualität. Studien die in Bezug zu Leucin-Mangel gemacht werden, besitzen aus diesem Grund auch stets eine gewisse Restmenge an Leucin in den verabreichten Nahrungsmitteln. Nicht nur aus Bequemlichkeit, sondern auch, weil die Forscher wissen, dass ein absoluter Mangel für Lebewesen auf Dauer zu schweren Schäden führen kann [3]. Ganz davon zu schweigen, dass ähnliche Ergebnisse mit der Supplementierung von Leucin zu erreichen sind.
This study demonstrated that chronic leucine supplementation reduced the body weight and improved the lipid profile of mice fed with a HFCD. This beneficial effect was ascribed to hepatic lipogenesis, adipocyte lipolysis, and WAT browning. [Studie]
Leucin: Abnehmen, Insulin und mögliche Nebenwirkungen
Wichtig ist aber auch zu wissen, dass nicht nur Kohlenhydrate den Blutzucker ins Schwanken bringen. Zum Teil sind bestimmte Aminosäuren, darunter Leucin, Isoleucin, Valin und Lysin, noch stärker an der Insulinausschüttung des Körpers beteiligt, als Zucker selbst [4,5].
Leucine, a the branched-chain amino acids that must be supplied in daily diet, plays an important role in controlling protein synthesis and regulating cell metabolism in various cell types. In pancreatic β cells, leucine acutely stimulates insulin secretion by serving as both metabolic fuel and allosteric activator of glutamate dehydrogenase to enhance glutaminolysis. Leucine has also been shown to regulate gene transcription and protein synthesis in pancreatic islet β cells via both mTOR-dependent and -independent pathways at physiological concentrations. Long-term treatment of leucine has been shown to improve insulin secretory dysfunction of human diabetic islets via upregulation of certain key metabolic genes. In vivo, leucine administration improves glycemic control in humans and rodents with type 2 diabetes. This review aims to summarize and discuss the recent findings regarding the effects of leucine metabolism on pancreatic β cell function. [Studie]
Während Leucin also auf der einen Seite durchaus einen positiven Effekt auf unseren Zuckerstoffwechsel zu haben scheint, stimuliert es selbst Insulin. Insulin ist an sich nichts “Schlechtes“, auch wenn dieses überlebenswichtige Signalmolekül gerne so gesehen wird. Doch wenn durch Insulin unser Blutzucker reduziert wird, während kein neuer Zucker zu Verfügung steht (wir haben schließlich gerade Proteine und nicht Glukose zu uns genommen), muss unser Körper auf eine andere Art und Weise den Blutzucker wieder nach oben bringen. Das geschieht zum Beispiel durch eine Ausschüttung von Stresshormonen wie Cortisol, welches durch Signale unser eigenes Gewebe in Zucker verstoffwechseln lässt [6,7]. Insbesondere die Aminosäuren Alanin und Glutamin scheinen dabei eine Rolle zu spielen. Vor allem, wenn unsere Glykogenspeicher sich dem Ende zuneigen. Ist unser Blutzucker also auf Dauer zu niedrig, beginnen wir, uns selbst zu verdauen, während wir unter Stress stehen. Keine schöne Vorstellung. Aus diesem Grund sollte man sich bei der Ernährung stets klar machen, dass eine Supplementierung mit Aminosäuren wie Leucin, vor allem unter hoher Belastung, stets mit etwas Glukose oder anderen – am besten natürlichen – Zuckern kombiniert werden sollte.
Leucin: Muskelaufbau, Muskelschwund und Antiaging
Aufbauende Mittel helfen natürlich nicht nur beim Sport und Muskelaufbau. Viele Krankheiten, darunter Krebs, stehen oft mit einem erhöhten Muskelschwund in Verbindung [8]. Daher ist es kein Wunder, dass es einige Studien gibt, die untersucht haben, ob man durch die Supplementierung mit Leucin einen solchen Prozess nicht ein wenig unterbinden könnte.
Whole body protein kinetics were not affected by leucine supplementation. In contrast, muscle FSR, measured over the 5-h period of feeding, was significantly greater in the volunteers given the leucine-supplemented meals compared with the control group (0.083 ± 0.008 versus 0.053 ± 0.009% h−1, respectively, P < 0.05). This effect was due only to increased leucine availability because only plasma free leucine concentration significantly differed between the control and leucine-supplemented groups. We conclude that leucine supplementation during feeding improves muscle protein synthesis in the elderly independently of an overall increase of other amino acids. Whether increasing leucine intake in old people may limit muscle protein loss during ageing remains to be determined. [Studie]
Heißt das nun also, dass man generell einen hohen Konsum an Leucin befürworten sollte? Nicht unbedingt, denn auch ein “Zu-Viel“ an Leucin hat seine Schattenseiten. Stehen unserem Körper eine große Menge an Aminosäuren zur Verfügung, wird daraus gerne Ammoniak gebildet, das selbst bekannt dafür ist, eher unserem Körper zu schaden und das wir aus unserem Körper bringen müssen.
A breakpoint in leucine oxidation was observed at 431 mg ⋅ kg-1 ⋅ d-1 (95% CI: 351, 511 mg ⋅ kg-1 ⋅ d-1), with blood ammonia concentrations above normal (35 μmol/L) at leucine intakes >550 mg ⋅ kg-1 ⋅ d-1 Taking the data together, the UL for leucine intake in healthy elderly men could be set at a value similar to young men, at 500 mg ⋅ kg-1 ⋅ d-1, or ∼35 g/d for an individual weighing 70 kg; or, as a cautious estimate, the leucine UL could also be considered as 351 mg ⋅ kg-1 ⋅ d-1 (the lower 95% CI), which would be ∼24.5 g/d for an elderly individual weighing 70 kg. These studies to determine the UL for leucine in humans are acute diet studies, and future studies with additional biomarkers and long-term supplementation of leucine will be necessary. [Studie]
Wurden mehr als 431mg pro Kg/Körpergewicht am Tag konsumiert, wurde vermehrt Ammoniak im Körper gefunden. Damit wäre man jedoch bei einem 70-80 Kilogramm schweren Menschen bei einem täglichen Maximum von etwa 30-35 Gramm und einen solchen Wert alleine bei einer isolierten Aminosäure zu erreichen ist gar nicht so leicht – außer man nimmt natürlich Nahrungsergänzungsmittel in großen Mengen zu sich.
Begeben wir uns ein wenig weg von Krankheiten und Muskelschwund. Bekannt ist Leucin in der weltweiten Fitnessbranche als aufbauende Aminosäure, die nicht nur den Abbau von Muskulatur verhindern kann, sondern gleichzeitig den Aufbau neuer Muskulatur aktiv zu unterstützen scheint [9,10]. Studien an Männern und Mäusen konnten wiederholt zeigen, dass die Menge an Muskelfasern sowohl bei Ausdauer- als auch Kraftsportarten durch entweder BCAAs, einer Kombination von Leucin mit anderen Aminosäuren oder der isolierten Verwendung von Leucin signifikant verbessert werden konnte. Dabei war die Kombination von Leucin und Bewegung “erstaunlicherweise“ effektiver, verglichen mit der Einnahme von Leucin ohne sportliche Belastung. Für Sportler und Athleten jeglichen Leistungsniveaus sind solche Informationen natürlich durchaus von Interesse!
The results show that both 8 weeks of leucine supplementation and aerobic training elevated the activity of mTOR (mammalian target of rapamycin) and its downstream target p70S6K and 4E-BP1, inhibited the ubiquitin-proteasome system, and increased fiber cross-sectional area (CSA) in white gastrocnemius muscle. Moreover, leucine supplementation in combination with exercise demonstrated more significant effects, such as greater CSA, protein content and altered phosphorylation (suggestive of increased activity) of protein synthesis signaling proteins, in addition to lower expression of proteins involved in protein degradation compared to leucine or exercise alone. [Studie]
Im Fitness-Bereich wird dabei über etwas namens Leucin-Threshold gesprochen. Dabei handelt es sich um die individuelle Menge, die ein Mensch benötigt, um die Synthese von neuem Muskelgewebe möglichst effektiv zu stimulieren, während der Körper so wenig wie möglich Ammoniak zu produzieren. Der perfekte Wert hängt dabei jedoch davon ab, wie alt und körperlich aktiv jemand zum Beispiel ist.
Zuletzt noch einen kurzen Einblick in Bezug auf “ewiges Leben“ oder Antiaging. Etwas namens mTOR wird als regulierender Faktor gerne in dieser Hinsicht erwähnt und Leucin, neben anderen Stoffen wie Insulin oder Glukose, sind hier einige Substrate, die mTOR anregen. Bekannt ist, dass eine Deaktivierung von mTOR bei einigen Tierversuchen zu einer längeren Lebensspanne geführt hatte und vieles wurde in dieser Hinsicht Dingen wie Zellrecycling (Autophagie) und anderen Abläufen zugeschrieben [8,9]. Grundsätzlich ist mTOR jedoch vor allem eine Art Schaltzentrale für aufbauende Prozesse und sollte aus diesem Grund vermutlich nicht einfach so bei Menschen ausgeknipst werden. Sollte also unter Umständen angemerkt werden, dass Leucin schädlich wirken würde, da es mTOR-Aktivitäten stimulieren würde, kann man getrost antworten, dass es da noch weitaus mehr Faktoren gibt, die eigentlich kaum zu verhindern sind und die Synthese von neuem Gewebe doch gar nicht so schlecht ist, oder? Aminosäuren haben sehr viele verschiedene Wirkungen und Wechselwirkungen. Außerdem sollte man den Körper nie selektiv betrachten. Ganz davon zu schweigen, dass neben einer Lebensspanne auch eine Lebensqualität mindestens die gleiche Relevanz besitzt. Außerdem – wer will schon ewig leben?
Quellenangabe:
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4715699/
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2797918/
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2630895/
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3397906/
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/19013300
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/8239784
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/18248637
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4156923/
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/25444557
- https://www.karger.com/Article/FullText/484629