Warum ist Prolin eine wichtige Aminosäure?

Auf einen Blick

  • Obwohl Prolin als nicht essentielle Aminosäure gilt, hat sie durchaus wichtige Effekte
  • Auf der einen Seite ist sie eine der drei zentralen Aminosäuren für Kollagen: Glycin, Hydroxyprolin und Prolin und sorgt damit für eine gute Festigkeit von Knochen, Sehen und weiteren Bindegeweben
  • Daneben scheint jedoch Prolin nicht nur bei Pflanzen, sondern auch beim Menschen unter Stress an Relevanz zu gewinnen
  • Prolin ist laut Studien dazu in der Lage, oxidativen Produkten eine Art „Shift“ zu geben. Dadurch werden vermehrt andere Oxidantien bei der Energieproduktion hergestellt, was den Organismus für eine gewisse Zeit Stress-resistenter macht
  • Zuviel Prolin zusammen mit einer chronischen Stressbelastung scheint jedoch auch so – nur durch andere Radikale auf Dauer ein kontrolliertes Zellsterben (Apoptose) einzuleiten
Wie kann Prolin Zellen unter Stress helfen?

Prolin: Oxidativer Stress, Stress-Schutz und zelluläres Gleichgewicht

Prolin ist neben Glycin ein weiterer “fester“ Bestandteil von Kollagen und damit in Sehnen, Bändern, Knochen und auch in weiteren bindegewebsähnlichen Strukturen von Lebewesen zu finden. Damit wird schnell deutlich, wofür Prolin generell angepriesen wird: Feste Knochen, straffe Haut und gesunde Bänder. Doch das ist nicht alles, denn Prolin ist nicht nur eine Bausubstanz für kollagene Strukturen unseres Körpers! Prolin ist ein gutes Beispiel für einen schützenden Mediator, während unser Körper unter Stress steht und zeigt, warum manche Aminosäuren, selbst wenn sie nicht als essentiell gelten, dennoch an Wichtigkeit zunehmen, wenn unser Körper beispielsweise unter hoher oxidativer Belastung steht.

Prolin: Oxidation und Schutz vor Radikalen

Wenn unser Körper mit seinen mitochondrialen Zellkraftwerken Energie produziert, sind die Entstehung freier Radikale ein fester Bestandteil dieses Prozesses. Radikale wie Superoxid-Anionen oder Hydrogenperoxid sind dabei zwei dieser oxidativen “Stressoren“, die entstehen können. Natürlich besitzt unser Körper für solche Signalmoleküle unter gesunden Umständen die nötigen Enzyme, um den oxidativen Schaden im Zaum zu halten. Doch schlecht sind diese radikalen Beiprodukte nicht unbedingt. Durch ihre Präsenz wird den Zellen signalisiert, wann und wie sehr sie sich selbst durch Prozesse wie Autophagie reparieren müssen, ob Radikalfänger oder andere Mechanismen notwendig werden oder ob sogar eine Zelle zur Sicherheit des Körpers ihren kontrollierten Zelltod einleiten muss, um entzündliche Prozesse im Körper kontrolliert zu halten und keine fehlfunktionierenden Zellen zu produzieren [1,2]. Nicht zuletzt wird aus diesem Grund stark in Bezug auf Krebserkrankungen und therapeutischen Maßnahmen via Radikalen geforscht [3]. Doch was hat das mit Prolin zu tun?

Im Körper gibt es grundsätzlich zwei Richtungen, in die eine chemische Reaktion laufen kann. Oxidation und Reduktion. Hierbei geht es im Generellen darum, wohin bestimmte Elektronen wandern, doch vor allem sorgen solche Reaktionen zur Produktion neuer oder abgeänderter Moleküle mit völlig anderen Eigenschaften und so ziemlich alles in uns wird durch ein Gleichgewicht aus Oxidation und Reduktion in einer möglichst gesunden Balance gehalten. Ein Verschieben in die eine oder andere Richtung steht dabei stets in Verbindung mit negativen Auswirkungen, wie wir bereits bei der Aminosäure Cystein lernen konnten.

Steht unser Körper unter Stress, braucht er Energie, um mit einer solchen belastenden Situation zurecht zu kommen. Die Produktion von Energie selbst wirkt jedoch oxidierend und auf Dauer wird dabei der oxidative Schaden in Zellen so hoch, dass die Leistung abnehmen kann, sollten nicht genügen reduzierende Helfer aktiv werden. Alles, was unserem Körper also dabei helfen kann, selbst unter Stress im “Gleichgewicht“ zu bleiben, ist in einer solchen Situation willkommen. Zuerst wurde eben genau eine solche Eigenschaft von Prolin bei Pflanzen entdeckt:

When exposed to stressful conditions, plants accumulate an array of metabolites, particularly amino acids. Amino acids have traditionally been considered as precursors to and constituents of proteins, and play an important role in plant metabolism and development. A large body of data suggests a positive correlation between proline accumulation and plant stress. Proline, an amino acid, plays a highly beneficial role in plants exposed to various stress conditions. Besides acting as an excellent osmolyte, proline plays three major roles during stress, i.e., as a metal chelator, an antioxidative defense molecule and a signaling molecule. Review of the literature indicates that a stressful environment results in an overproduction of proline in plants which in turn imparts stress tolerance by maintaining cell turgor or osmotic balance; stabilizing membranes thereby preventing electrolyte leakage; and bringing concentrations of reactive oxygen species (ROS) within normal ranges, thus preventing oxidative burst in plants. Reports indicate enhanced stress tolerance when proline is supplied exogenously at low concentrations. However, some reports indicate toxic effects of proline when supplied exogenously at higher concentrations. [Studie]

Dieses Zitat aus einer Studie von 2012 gibt eine Menge Informationen, selbst wenn sie sich auf Pflanzen bezog. Wichtig für eine stabile Integrität von Zellmembranen und der Funktion von Zellen, ist der bereits beschriebene Ausgleich oxidativer Belastung und reduktiver Reaktionen. Etwas, was also unter Stress verstärkt ausgeschüttet werden kann und das dafür sorgt, dass Zellen nicht unter oxidativer Belastung zusammenbrechen, ist unter hoher körperlicher oder emotionaler Belastung gerne gesehen. Doch warum wurde bei höheren Konzentrationen ein toxischer Effekt beobachtet?

Prolin: Viel ist nicht immer besser

Um zu verstehen, wie Prolin in höherer Dosierung sogar gefährlich sein kann, muss man einen Blick darauf werfen, was es in Zellen eigentlich anstellt. Schon jetzt lässt sich sagen, dass es an sich kaum möglich ist, Prolin in so hohen Dosen zu sich zu nehmen, um es zu einem Giftstoff zu machen. Während es vom Körper als Energiequelle verwendet werden kann und dabei ATP, aber auch Superoxid produziert, scheint es laut Studien ein effektiver Radikalfänger gegen Hydrogenperoxid zu sein, das bekannt dafür ist, Zellmembranen und andere Strukturen innerhalb von Zellen anzugreifen. Damit lässt sich auch zum Teil gut erklären, wie es unter Stress vor zu hohem zellulären Schaden schützen kann. Während es also sowohl oxidierend und gleichzeitig reduzierend wirkt (es produziert Superoxid und reduziert Hydrogenperoxid), verschiebt es dadurch bei exzessiv hohen Konzentrationen eine radikale Umgebung aus zwei unterschiedlichen Radikalen und dadurch sind mögliche Schäden innerhalb der Zelle durchaus vorstellbar [4,5].

Recently, it was reported that proline does not interact with superoxide in vitro [53]. Our cellular studies concur with this finding and suggest that proline exhibits specificity toward H2O2-induced stress. […] Proline metabolism has generally been considered to generate a more oxidative environment via mitochondrial PRODH activity [36476364]. Here, we have shown that PRODH generates superoxide directly during turnover with proline. We also provide evidence of a proline-dependent mechanism that opposes intracellular ROS formation. These findings suggest that proline metabolism is more pivotal in maintaining redox homeostasis than previously thought with proline exhibiting dual functions as a pro-oxidant via PRODH and as a ROS scavenger.

ABER

Phang and others have shown that in mammalian cells PRODH expression is activated by p53 with proline oxidation leading to increases in intracellular reactive oxygen species (ROS) and induction of cellular apoptosis in various cancer cell lines [39]. Thus, proline serves as a pro-oxidant in apoptotic signaling via PRODH activity which may be an important mechanism for reducing carcinogenesis [6] [Studie]

Für Pflanzen scheint Prolin bei Stress zu helfen. Wie ist es beim Menschen?

Zusammenfassung: Ist Prolin nun eine gesunde Aminosäure?

Muss man jetzt darauf achten, nicht zu viel Prolin in seiner Ernährung zu haben? Wie bereits erwähnt ist die einfache Antwort ein klares “Nein“. In solchen wissenschaftlichen Studien werden in der Regel supraphysiologische (unrealistische) Dosierungen verwendet, um beispielsweise Möglichkeiten für neue therapeutische Ansätze zu finden. Ganz davon zu schweigen, dass es sich bei solchen Untersuchungen in der Regel um in vitro, also an Zellen durchgeführten Studien handelt. Konzentrationen an Prolin zu erreichen, die mit denen in den herangezogenen Studien vergleichbar sind, wäre auf normalem Wege kaum vorstellbar, abgesehen davon, dass ein gesamter Körper meist weitere Möglichkeiten zur Verteilung und Regulierung besitzt. Laut einer Studie von 2010 liegt die toxische Dosis bei Mann und Frau bei etwa 2,7-3 Gramm(!) pro Kilogramm Körpergewicht – also etwa 2 Kilogramm reines Prolin bei einem Menschen mit etwa 70-80 Kilogramm Körpergewicht [6]. Prolin ist damit auf der Seite der gesunden, schützenden und unterstützenden Aminosäuren, nicht nur wegen seiner Relevanz für eine gesunde Kollagen-Synthese, sondern vor allem auch, wenn Zellen unter alltäglichem Stress stehen. Nahrungsmittel mit guten Mengen an Prolin sind beispielsweise Gelatine, Knochenbrühe, diverse Milchprodukte und tierische Fleischprodukte. Vor allem Gelatine und Knochenbrühe sind dabei empfehlenswert. Sie enthalten neben Prolin ebenfalls Glycin und viele weitere wertvolle Nährstoffe. In Verbindung mit weiteren Aminosäuren wie beispielsweise Valin, Lysin, Tyrosin und Beta-Alanin könnte man einen durchaus positiv potenten Aminosäuren-Cocktail erstellen!

Quellenangabe:

  1. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4055301/
  2. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/11076791
  3. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/15914462/
  4. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/11280728/
  5. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/19446917
  6. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/20447433