Tryptophan: Wie wirkt sich Tryptophan auf Psyche und Stoffwechsel aus?

Auf einen Blick

  • Die essentielle Aminosäure Tryptophan wird gerne mit dem „Wohlfühl-Hormon“ Serotonin in Verbindung gebracht
  • Während aus Tryptophan durchaus Serotonin und weitere wichtige Substanzen wie Melatonin produziert werden, ist eine solche Bezeichnung aber möglicherweise fehlleitend
  • Eine große Anzahl an Studien wiesen eher darauf hin, dass Serotonin als Neurotransmitter eine Art Zeichen für mentalen und metabolen Rückzug an den Körper abgibt
  • Das kann unter Umständen absolut physiologisch sein (z.B. bei Tieren im Winterschlaf), jedoch auch schädlich in einem stark stimulierenden Umfeld
  • In Verbindung mit einigen im Text erwähnten Abläufen im Darm, macht das Tryptophan zu keiner Aminosäure, die man Menschen als Supplement empfehlen kann
Was hat Tryptophan mit Müdigkeit und Stoffwechsel zu tun?

Tryptophan: Wirkung, Nebenwirkung, Serotonin und Krankheiten

Tryptophan hat in den Köpfen vieler gesundheitsbewusster Menschen eine starke Verbindung zu Truthahn. Durchaus zu Recht, denn unter anderem ist in diesem Lebensmittel eine vergleichsweise hohe Menge an Tryptophan zu finden. Auch denken viele bei Tryptophan an Serotonin und seine Wirkung. Sich zurücklehnen, entspannen und den Abend genießen – so in etwa wird die Wirkung von Tryptophan und Serotonin beschrieben. Serotonin selbst wurde seit vielen Jahren als “feel-good“-Hormon vorgestellt. Doch stimmt diese Aussage überhaupt? Ist Tryptophan wichtig, schädlich oder irrelevant? Was sind die Aufgaben von Tryptophan im Körper? Was hat Tryptophan und Serotonin mit Depression und anderen emotionalen Zuständen zu tun? Gibt es Verbindungen zu neurodegenerativen Erkrankungen? Hat Tryptophan Nebenwirkungen und Kontext?

Tryptophan in Lebensmitteln: Wirklich essentiell? Serotonin, Depression, Aggression und Isolation

Tryptophan gehört zu den essentiellen Aminosäuren, die unser Körper selber nicht herstellen kann und muss aus diesem Grund durch Nahrung oder anderen Wegen zugeführt werden. Wenn es um Mengen geht, sind Nahrungsmittel wie Soja, Nüsse und Samen, diverse Fleisch- und Käsesorten wie Mozzarella, Geflügel und Rind besonders hoch an Tryptophan. Tryptophan selbst hat viele mögliche Verwendungen im Körper – besonders bekannt ist dabei die Produktion des Neurotransmitters und Gewebehormons Serotonin, aber auch die Herstellung von Melatonin im Körper, Kynurenin (ein Produkt der Verstoffwechselung von Tryptophan) und die Interaktionen mit unterschiedlichen B-Vitaminen sind heute bekannt [1].

Unter normalen Umständen führt sich ein durchschnittlicher Mensch mit einer abwechslungsreichen Ernährung und ohne signifikante gesundheitliche Einschränkungen keine ungewöhnlich hohen Mengen an Tryptophan zu. Im Gegensatz zu Stickstoff-Boostern (Arginin), bestimmten Aminosäuren (Lysin, Leucin oder Glycin), tritt Tryptophan im gesundheitlichen Alltag vergleichsweise selten ins Rampenlicht. Anders jedoch in der Forschung. Hier wurden exzessive Untersuchungen an Mäusen und anderen Versuchstieren durchgeführt, um mehr über Tryptophan und seine Wirkung, vor allem in Bezug auf den körpereigenen Serotonin-Spiegel, herauszufinden. Denn genau hier wird Tryptophan interessant.

Serotonin findet sich als Signalmolekül in vielen verschiedenen Funktionen im Körper wieder. Bis heute ist es allgemein anerkannt, dass der Wissenschaft noch nicht alle Funktionen, Wirkungen oder Rezeptoren von Serotonin bekannt sind. Manche Medikamente gegen Parkinson oder andere neurodegenerative Erkrankungen mussten aus diesem Grund bereits vom Markt genommen werden, da sie unter anderem zu Leberschäden geführt hatten [2,3]. Bis heute ist es sehr fragwürdig, ob das Bild von Serotonin wirklich so sehr positiv beschrieben werden kann, wie es manchmal in wissenschaftlichen Arbeiten dargestellt wird.

Serotonin wurde in einigen Studien, bevor es auf dem Markt mehr und mehr für Umsatz sorgen konnte, durchaus kritisch betrachtet. Unter anderem wurde sehr schnell seine antagonistische Eigenschaft zu Dopamin beschrieben (Tyrosin und Phenylalanin haben viel mit Dopamin zu tun). Dopamin wird generell als ein Neurotransmitter für Antrieb, Belohnung, Suchtverhalten und Motivation dargestellt [4]. Ein Drang nach Neuem, Offenheit und Aktivität sind in der Regel verbunden mit einem angeregten Stoffwechsel, Oxidation, Spontanität, Impulsivität, Bewegung und Veränderung, während das Gegenteil mit Rückzug, Isolation, Depression, Suche nach Sicherheit, Zurückhaltung und Entspannung in Zusammenhang stehen kann [5,6]. Beides ist sowohl in mancherlei Hinsicht positiv, als auch negativ behaftet. Neurotransmitter stehen generell aus biochemischer Sicht stark in Verbindung mit unserem emotionalem Zustand und Verhalten. So wurde auch bei Mäusen in Isolation bemerkt, dass sie eine verstärkte serotonerge Aktivität aufwiesen – während vor allem ein ängstliches/aggressives Verhalten durch Serotonin-Antagonisten signifikant und reproduzierbar gehemmt werden konnte:

When the indoleamine antagonists were tested for their ability to inhibit physostigmine lethality, three of them (cyproheptadine, pizotyline, and xylamidine) were also found to possess significant anticholinergic activity (Table 3). The other serotonin receptor antagonists, methiothepin, mianserin, methysergide, and cinanserin, were completely devoid of anticholinergic activity even at doses that were many times their antiserotonergic or antifighting dose ranges (Table 3). Therefore, at least four of the antiserotonergic drugs (i.e., methiothepin, mianserin, methysergide, and cinanserin) appeared to antagonize aggression selectively due to their action at serotonin receptors. The antiaggressive properties of the other three drugs (i.e., cyproheptadine, pizotyline, and xylamidine) may have been due to the interaction or combined effects of their antiserotonergic and anticholinergic activities. In addition, since there was a significant correlation between potency as a serotonin receptor blocker and potency as an antiaggressive when both the specific and nonspecific (i.e., cyproheptadine, pizotyline, and xylamidine) blockers were compared, the antiserotonergic activity may be the predominant activity responsible for the antifighting activity in isolated mice with all of these drugs. [Studie]

Was haben Serotonin und Tryptophan mit Aggression zu tun?

Dieses etwas kompliziert klingende Zitat aus einer Studie weist neben einer potentiellen Reduktion einer Stress-Reaktion bei Mäusen unter Isolation vor allem auf die Komplexität von Neurotransmittern hin. Ebenso sind solche allgemeinen und bekannten Entdeckungen durchaus von Relevanz, wenn es um Medikamente und Behandlung von Krankheiten geht. Viele Fälle wurden bis heute in Studien dokumentiert, in denen Patienten, die selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI) aufgrund von depressivem Verhalten oder anderen Gründen zu sich nehmen mussten, durch die Medikamente ein erhöht ängstliches, aggressives Verhalten zeigten [7,8]. Dass diese Reaktionen noch mit vielen anderen Umständen in Zusammenhang stehen können (Lebenssituation, Stress, Schlaf, Ernährung etc.) steht außer Frage. Studien an Mäusen hatten ebenfalls nachweisen können, dass eine Tryptophan-Entleerung durch die Ernährung das Lernvermögen von neuen Informationen zu verbessern schien (Anmerkung: Studie mit 10 Ratten).

At both 40 and 60 days, experimental rats committed less errors than controls. Likewise, the TRY-restricted group learned the task from the second trial on, whereas controls did not solve it until the third trial. TRY restriction, and therefore brain serotonin reduction, could impair normal cholinergic activity in some areas such as the hippocampus and the cerebral cortex, where involvement in learning and memory is well documented. [Studie]

Damit sind ebenfalls mögliche Verbindungen zwischen den unterschiedlichen Neurotransmittern, ihrer Anreicherung im Körper und ihren Effekten auf unterschiedliche Krankheiten und Lernvermögen möglich – jedoch anders als allgemein dargestellt mit Serotonin in einem nicht unbedingt positiven Licht.

Wie beeinflusst Serotonin die mentale Leistungsfähigkeit?

Zusammenfassung, Tryptophan, Serotonin und der Darm

Grundsätzlich befindet sich das meiste Serotonin in unserem Darm (etwa 95%). Hier kann es unter anderem bei einem Exzess zu Beschwerden führen, da es zwar die Peristaltik des Dünndarms, jedoch weniger des Dickdarms zu beeinflussen scheint [9]. Während das selbst zu weiteren Beschwerden führen kann (Durchfall und reaktive Verstopfungen, Dysbiosen des Dickdarms), wäre es durchaus denkbar, dass man durch eine hohe Zufuhr an Tryptophan (oder Serotonin), nicht nur den körpereigenen Darmschlingen keinen Gefallen tut, sondern auch aufgrund möglicher Folgebeschwerden (Reizdarm / SIBO), weitere entzündliche Belastungen auf den Körper überträgt.

Sowohl das produzierte Serotonin, aber auch Endotoxine durch Bakterien könnten leichter in den Körper und Blutkreislauf eindringen und so zu Schaden, immunologische Waldbränden und Entzündungen führen. Nahrungsmittel mit einem hohen Anteil an Tryptophan sollten möglicherweise vermieden werden, sollte ein Mensch an Darmbeschwerden leiden. Natürlich ist Tryptophan als Aminosäure nicht im Generellen schädlich. Wie zu Beginn erwähnt, besitzt Tryptophan – in moderaten Dosen – einige relevante Aufgaben, darunter die Produktion von Melatonin und auch bei Tieren im Winterschlaf spielt Serotonin eine Rolle [10]. Interessanterweise passt dieses Bild zu der Bezeichnung von Serotonin als Wirkstoff für Rückzug, Reduktion von Aktivität und Erhalt von Energie und Entspannung. Oft sind es nicht einzelne Aminosäuren oder andere Substanzen, die ihren Schaden im Alleingang bewirken, sondern ein Zusammenspiel vieler verschiedener Faktoren, Stressbelastungen, ein genereller gesundheitliche Zustand der Person und vieles mehr, die zusammen zu entsprechenden Effekten in lebenden Organismen führen. Medikamente, die sich auf den serotonergen Neurotransmitter-Haushalt auswirken, sollten ebenfalls mit Vorsicht verwendet werden.

Quellenangabe:

  1. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2908021/
  2. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3736946/
  3. https://www.cbsnews.com/news/anti-depressant-taken-off-market/
  4. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2612120/
  5. http://raypeat.com/articles/aging/tryptophan-serotonin-aging.shtml
  6. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/15019419
  7. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/28859218
  8. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3181684/
  9. https://pdfs.semanticscholar.org/897b/115f50ef30b8b9cf372b1eca784518ffd275.pdf
  10. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/6166952