Ist Milch ungesund?

Ist Milch doch keine gute Idee?

In diesem Artikel wurden mögliche Vorteile guter Milch angesprochen. Unter anderem wurde sehr deutlich, wie wichtig die Haltung der Tiere ist und warum Milch eigentlich ein Nährstoff mit enormem Mehrwert sein kann. Auf der anderen Seite ist Milch ein Produkt, das über die Jahre hinweg immer wieder schwer kritisiert wurde. Milch sorgt für Allergien, Unverträglichkeiten, Unwohlsein und soll mit dem vermehrten Auftreten von unterschiedlichen Krankheiten in Verbindung stehen. Was ist da aber dran? Ist Milch doch nicht so gesund oder gibt es andere Hintergründe?

Milch: Moderne Produktion, Zusätze und Unverträglichkeit

In the oropharynx, raw cow’s milk components can contribute to immune homeostasis via different mechanisms. First, bovine IgG can bind and possibly even neutralize bacteria, viruses, or allergens. […] Second, sialylated oligosaccharides may function as decoy receptors for viruses in the lumen of the oropharynx, preventing viral adhesion. Further, the expression of tight junction proteins can be enhanced by several milk components, thus strengthening the mucosal barrier against breaching by allergens and pathogens. Finally, several milk components contribute to immune regulation by inducing the differentiation into tolerogenic dendritic cells (tol. DC) and immunoregulatory T cells (Tregs). In this way, raw cow’s milk can promote a local microenvironment that contributes to immune homeostasis in the upper airways. [Studie]

Es gibt mehr als genug Studien, die sich auf die positiven Effekte von Milch auf unsere Gesundheit beziehen. Gleichzeitig gibt es eine große Menge an Arbeiten, die das Gegenteil beweisen konnten. Auch ohne Studien gibt es genug Menschen, die durchwegs unterschiedlich zu Milch und Milchprodukten stehen. Wie kann das aber sein?

In der oben zitierten Studie wurde Rohmilch auf ihre positiven Eigenschaften untersucht. So wie bei bekannten und sogar beliebten Nahrungsergänzungsmitteln wie Kolostrum handelt es sich dabei um einen sprichwörtlichen “Roh-Stoff“. Die Milch, die es in vielen Supermärkten zu kaufen gibt, hat selten etwas mit Rohmilch zu tun. Neben der oft angewendeten Pasteurisierung, Homogenisierung und weiteren Verarbeitungsschritten, die der Rohmilch wertvolle Stoffe entziehen können, wird meist aber noch etwas hinzugegeben. In Amerika wurde beispielsweise die Zugabe von Vitamin A und D bei Magermilch verordnet. Dass solche Zusätze, trotz offizieller “Reinheit“, schädlich sein können, ist bekannt [1,2]. Abgesehen davon werden in vielen Milchprodukten Verdickungsmittel wie Carargeen verwendet, die ihre eigene unangenehme Geschichte mit sich tragen [3,4].

Carrageenan is a previously unreported cause of anaphylaxis during barium enema. It is an allergen widely distributed in common foods and potentially could account for some symptoms related to milk products or baby formula. [Studie]

The commonly used food additives, carrageenan and carboxymethylcellulose (CMC), are used to develop intestinal inflammation in animal models. These food additives are excluded from current dietary approaches to induce disease remission in Crohn’s disease such as exclusive enteral nutrition (EEN) using a polymeric formula. [Studie]

Wie immer ist es recht ernüchternd zu lesen, wie sehr wir unsere Nahrung und Umwelt mit Zusätzen vergiften und wie Studien mehrfach nachweisen konnten, dass bestimmte Stoffe sowohl für Allergien und (in diesem Fall) Darmbeschwerden führen konnten, während im gleichen Atemzug auf offizieller Seite grünes Licht für Herstellung und Vertrieb gegeben wird. Einigen Menschen, die über Verdauungsbeschwerden bei dem Verzehr von Milchprodukten klagten, ging es deutlich besser, wenn eine andere Marke gekauft wurde. Ist dann aber Milch als Nahrungsmittel schlecht, oder das hergestellte Produkt?

Macht Milch abhängig?

Es gibt “Anti-Werbespots“, die auf komische und anschauliche Art und Weise darstellen, wie die Milch-Industrie uns hintergehen oder ausbeuten möchte. Dabei ist ein oft erwähntes Argument, dass Milchprodukte im Körper zu opiat-ähnlichen Substanzen umgewandelt werden. Sogenannte Beta-Casomorphine wären also vielleicht bald der nächste letzte Schrei für den zwielichtigen Händler unseres Vertrauens. Was schrecklich klingt, hat aber seinen Kontext.

Zum einen sind diese Morphine sowohl in Rohmilch, als auch in Muttermilch von Menschen zu finden [5]. Da man aber wohl davon ausgehen kann, dass kein Lebewesen auf der Welt dem eigenen Nachwuchs schaden möchte, sollte einen das wohl aufhorchen lassen. Hoffentlich versuchen Eltern nicht insgeheim, ihre Kinder von sich abhängig zu machen. Zum anderen gibt es eine erstaunlich große Menge an Opiaten in allen möglichen Nahrungsmitteln, ganz abgesehen von unseren eigenen, endogen produzierten “Suchtmitteln“.

Wird Hämoglobin zum Teil verdaut, wird dabei ein Fragment gebildet namens Hämorphin [6]. Hämoglobin hat recht viel mit unserem eigenen Blut zu tun. Getreide (Gliadorphin/Gluteomorphin), Milch (Beta-Casomorphin, Alpha/Beta-Lactorphin), grünes Gemüse wie Spinat (Rubiscolin-6) – alles bildet recht kurzlebige Opiate, die bei der Verdauung von Nahrungsmitteln in unserem Körper entstehen. Zum Teil haben sie dabei anregende oder sogar entspannende Effekte [7]. Damit stimmt zwar die Aussage, dass dopaminerge Substanzen durch unsere Nahrung entstehen und diese gelegentlich der Struktur von manchen bekannten Drogen entsprechen. Irgendwie scheint das jedoch ein ziemlich normaler Prozess zu sein. Sicherlich können einem solche Stoffe bei einem löchrigen bzw. Reizdarm leichter “zu Kopf steigen“. Gleichzeitig wurde jedoch beobachtet, dass die Präsenz von Opiaten im Darm dazu führte, dass die Darmwand eine weit größere Menge an Mucus produzierte [8].

Könnte man statt Zigaretten hier auch Milchflaschen hinlegen?

Luminal administration of beta-casomorphin-7 (1.2 x 10(-4) mol/L) provoked a mucus discharge (500% of controls) that was inhibited by naloxone, a specific opiate receptor antagonist. [Studie]

Unsere Darmschleimhaut ist wichtig zum Schutz vor vielen pathogenen Bakterien und das Anwachsen der Schleimhaut kann in diesem Sinne sogar unterstützend helfen. Warum ausgerechnet Casomorphine so stark in den Massenmedien einschlugen, mag man also sehen, wie man möchte.

A1 und A2 Milch

Diese Sache mit den Opiaten hatte insbesondere in manchen Ländern wie Neuseeland, Australien und Amerika eingeschlagen. Bücher wie “Devil in the Milk“ schrieben über die schädlichen Effekte der A1 Milch und wie sie in Verbindung mit unterschiedlichen Erkrankungen wie Autismus gestellt werden konnte. Der Grund dafür war klein, aber fein: Im Gegensatz zur altertümlichen A2 Milch (früher schienen alle Kühe offensichtlich ausschließlich A2-Milch zu produzieren) besitzt die A1 Milch an einem bestimmten Abschnitt der Casein-Peptidkette ein Histidin, statt einem Prolin. Dadurch kam es zu der Produktion von Beta-Casomorphin 7 – einem Opiat also [9]. Während viel an dieser Stelle über Konspirationen und industrielle Interessen gesprochen werden kann, sollte bei Studien insbesondere auf einen Zusammenhang hingewiesen werden. Wurde das A1 Casein nicht in Zellen gespritzt, sondern dem Organismus oral verabreicht, konnten in der Regel Enzyme das Opiat direkt wieder weiter zerlegen. Werden also Milch und Milchprodukte normal verzehrt, konnten Enzyme wie Dipeptidyl Peptidase IV und Prolyl Endopeptidase das Casomorphin direkt zerlegen [10,11]. Injiziert in Zellgewebe jedoch sorgte es definitiv für Probleme – nur wer würde sich ein Casein-Protein in seine Zellen oder per Spritze in die Haut jagen? Auf der anderen Seite ist eine vermehrte Präsenz von Histidin im Vergleich zu Prolin für sich nicht unbedingt eine vorteilhafte Sache. Für mehr Informationen sind Artikel zu Prolin und Histidin hier zu finden.

Milch und Säure: Zieht Milch Calcium?

Irgendwann wurde im Internet die Information laut, dass Milch zwar Calcium enthält, uns aber dennoch das Calcium aus den Knochen klaut. Erklärt wurde das durch den folgenden Zusammenhang: Während sicherlich Milch eine reichhaltige Quelle an Calcium darstellt, ist es ein Produkt, das unseren Körper übersäuert. Um dem sauren Milieu entgegen zu wirken, gibt der Körper Calcium aus den Knochen in das Blut ab, um die Säure zu neutralisieren. Dass eine solche Sichtweise allerdings sehr viel vom gesamten Körper und seinen wundervollen und vielfältigen Mechanismen außer Acht lässt, sollte mehr als offensichtlich sein. Wer mehr über den Säure-Basen-Haushalt lesen möchte, kann hier mehr Informationen finden. Säuren und Basen sind konstant in einem unglaublich vielseitigen Wechsel in unserem Körper am Arbeiten. Wird in unseren Zellen Energie produziert, wird dabei (basisches) Calcium durch das produzierte (saure) Kohlenstoffdioxid aus den Zellen in das Blut abgegeben. Das Kohlenstoffdioxid wird ausgeatmet, während das Calcium als basisches Mittel bestehen bleibt. Ein saures Mittel sorgt damit für mehr Basen im Blut.

Ein Hormon mit dem Namen PTH (Nebenschilddrüsenhormon) ist unter anderem von zentraler Bedeutung, wenn es um unseren Calciumspiegel geht. Ist Calcium im Blut niedrig, wird der Abbau von Calcium durch Osteoklasten in Knochen durch PTH stimuliert. Um also Gründe für Osteoporose bzw. Knochenschwund zu finden, sollten eher Stoffe untersucht werden, die dieses Hormon stark beeinflussen. Ein guter Spiegel an Magnesium, Vitamin D und Calcium können PTH niedrig halten, was viele positive Effekte mit sich zieht [12,13]. Hochwertige Milch und Milchprodukte ohne schädliche Zusätze sind dabei ein guter Calcium-Lieferant.

Ergänzend mag man noch hinzufügen, dass Milch ein recht gutes Verhältnis von Phosphat zu Calcium besitzt, was durchaus etwas Gutes ist. Mäuse mit einem ausgeschalteten Gen namens Klotho zeigten neben chronischem Nierenversagen stark fortschreitende Alterungsprozesse. Klotho -/- Mäuse litten dabei in der Regel an einer zu hohen Menge an Phosphat, die mit den unterschiedlichen beobachteten Krankheitsbildern in direkte Verbindung gebracht werden konnten. Fleisch ist zum Beispiel ein Nahrungsmittel mit sehr hohen Phosphatmengen. Vor allem im Verhältnis zu Calcium.

Klotho⁻/⁻ mice display premature aging and chronic kidney disease-associated mineral and bone disorder (CKD-MBD)-like phenotypes mediated by hyperphosphatemia and remediated by phosphate-lowering interventions (diets low in phosphate or vitamin D; knockouts of 1α-hydroxylase, vitamin D receptor, or NaPi cotransporter). CKD can be seen as a state of hyperphosphatemia-induced accelerated aging associated with Klotho deficiency. Humans with CKD experience decreased Klotho expression as early as stage 1 CKD; Klotho continues to decline as CKD progresses [Studie]

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Milch, Laktose und Laktase

Nach all diesen Informationen kann zuletzt noch über Laktose, Laktase, Allergien und Unverträglichkeiten gesprochen werden. Oft werden Milchprodukte wegen ihrem gefürchteten Milchzucker (Laktose) gemieden. Schließlich ist er bekannt für jede Menge Bauchbeschwerden und viele Produkte im Supermarkt tragen heutzutage als Verkaufspunkt das Label “laktosefrei“ auf der Plastikverpackung. Viele Studien weisen jedoch eher darauf hin, dass Zusätze, Schwermetalle, Pestizide und andere Stoffe in Nahrungsmitteln für Allergien und immunologische Dysfunktionen des Körpers verantwortlich gemacht werden können. Vermutlich ist dieser Ansatz auch für viele Leser leichter nachvollziehbar, als der Gedanke, dass wir seit einigen Jahren oder Jahrzehnten plötzlich intoleranter gegenüber unterschiedlichen natürlichen Lebensmitteln werden. Was ist aber mit Menschen, die an Unverträglichkeiten leiden, weil ihnen beispielsweise das Enzym “Laktase“ fehlt?

Es stimmt, dass einige Menschen – abhängig unter anderem von Kultur und Herkunft – eigentlich keine Laktase-Enzyme haben, um Milch optimal zu verdauen. Vieles hat dabei aber auch vermutlich mit der generellen Gesundheit des Darms zu tun. Fast alle Nahrungsmittel können uns mit Toxinen belasten, sollte der Darm von seinem Aufbau einem Schweizer Käse ähneln. Manche Personen konnten ihre Laktoseintoleranz umgehen, indem sie sich langsam an Milchprodukte gewöhnten (Beispielsweise durch ein moderates Glas Milch pro Tag) [14,15,16]. Zusätzlich gibt es Beobachtungen, bei denen sowohl laktosefreie, als auch laktosehaltige Milch für Bauchschmerzen und andere Beschwerden sorgten. Postuliert wurde, dass der Grund dafür die Unwissenheit der Probanden war, welche der beiden Milchsorten die “Richtige“ war [17]. Fähigkeiten zur Adaption sind bei jedem lebendigen Wesen vorhanden. Ein menschlicher Körper und seine Darmbakterien können sich an den Verzehr von Milch gewöhnen. Die Zugabe von Laktase als Enzym ist eine weitere Möglichkeit, ein Milchprodukt verträglicher zu machen. Wie jedoch bereits weiter oben beschrieben, ist es sehr wahrscheinlich, dass nicht ein Zucker, sondern eher unterschiedliche Toxine moderner Nahrungsmittelproduktion für Unwohlsein sorgen können. Vor allem in “Milch-gewöhnten“ Ländern wie Deutschland. Manchmal reicht es, einfach einen anderen Hersteller zu testen.

Zusammenfassung: Ist Milch nun gesund, oder ungesund?

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass hochwertige Milchprodukte viel mehr liefern können, als nur Calcium, Zucker, Fette und eine konzentrierte Balance aus pflanzlichem Eiweiß. Viele immunologisch aktive Substanzen in Rohmilch und Kolostrum sind inzwischen bekannt für ihre positiven Effekte auf unsere Gesundheit – auch wenn sie von Kühen stammen. Unverträglichkeiten können zwar aufgrund eines Mangels an Laktase im Körper entstehen, wahrscheinlich sind daran jedoch häufiger unterschiedliche industrielle Zusätze, Verdickungsmittel und Toxine Schuld. Das gleiche mag auf unterschiedliche allergische Reaktionen zutreffen. Auch wenn oft behauptet wird, dass Milch dem Körper Calcium stiehlt, basieren diese Aussagen doch auf einem recht selektiv betrachteten Mechanismus des Säure-Base-Haushalts. Eigentlich trifft eher das Gegenteil zu, was durchaus gute Milch zu einem guten Nahrungsmittel macht. Wichtig bleibt wie immer die Qualität unserer Nahrung. Massenproduktion von Lebensmitteln ist vielleicht günstiger, sorgt aber manchmal für mehr als nur einen flauen Magen. Das Image unterschiedlicher Produkte wird selten durch seriöse Wissenschaft, sondern eher durch Interessen und profitable Marketingnischen geprägt. Dafür müsste man nur einen Blick auf den Umsatz von Herstellern blicken, die laktosefreie Produkte anbieten – oder A2 Milch.

Quellenangabe:

  1. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK216659/
  2. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2873017/
  3. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/7751512
  4. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5410598/
  5. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4487594/
  6. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/9216251
  7. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/17766012
  8. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/14608064
  9. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/17666771
  10. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/3958290
  11. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/16298373
  12. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/12105390
  13. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5318626/
  14. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4555148/
  15. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4586575/
  16. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/8249871
  17. http://raypeat.com/articles/articles/milk.shtml