Freie Aminosäuren oder Peptidbindungen: Was ist besser?
Eine Aminosäure kommt selten allein in der Natur. Beißen wir in ein Stück Fleisch, Brot, oder nehmen wir einen Schluck Milch zu uns, nehmen wir mit diesem genüsslichen Happen viele verschiedene Aminosäuren gebunden aneinander zu uns. Oligopeptide (Oligo = Viele / Peptide = Verbindungen aus Aminosäuren) werden dabei langsam von unserem Körper immer weiter zerkleinert. Angefangen mit dem mechanischen Zerkleinern unserer Zähne, über die Säuren des Magens mitsamt seinen unterschiedlichen Enzymen, gelangen irgendwann immer kleiner werdende Peptidbindungen in unseren Darm, um dort schlussendlich in Form von Tri- oder Dipeptiden aufgenommen zu werden. Unter freien Aminosäuren versteht man einzelne Aminosäuren-Bausteine, die ungebunden und frei vorliegen und damit an sich keine Zerkleinerung durch unsere Verdauungssysteme mehr benötigen. Auf den ersten Blick mag das nicht nur leichter verdaulich für den Körper erscheinen, sondern auch leichter für ihn zu resorbieren sein. Doch stimmt das wirklich?
Aufnahme von Aminosäuren im Darm
Obwohl freie Aminosäuren kleiner sind und damit leichter vom Darm resorbiert werden sollten, stimmt diese Vorstellung nicht. In vielen Experimenten wurde immer wieder bestätigt, dass Peptidverbindungen von 2 bis 3 Aminosäuren deutlich besser über den Darm aufgenommen werden konnten [1,2]. Warum ist das aber so?
The mechanism by which amino acids are absorbed is conceptually identical to that of monosaccharides. The lumenal plasma membrane of the absorptive cell bears at least four sodium-dependent amino acid transporters – one each for acidic, basic, neutral and amino acids. These transporters bind amino acids only after binding sodium. The fully loaded transporter then undergoes a conformational change that dumps sodium and the amino acid into the cytoplasm, followed by its reorientation back to the original form. [Artikel]
Während Di- und Tripeptide mithilfe von H+-Ionen durch Rezeptoren aufgenommen werden, müssen sich freie Aminosäuren zuerst an Natrium binden, um vom Darm resorbiert zu werden. Offensichtlich ist das jedoch gar nicht so einfach, denn die Ergebnisse von Studien zeigten wiederholt eine verminderte Aufnahme von freien Aminosäuren. Rezeptoren und Enzyme liegen wohl mit Grund im Verdauungssystem bereit, um insbesondere spezielle Verbindungen aufzunehmen.
While peptide-bound proline appears to be well absorbed, free proline liberated by hydrolysis appears to pass back into the lumen as well as into the tissue fluid. Substantial back flux of hydrolysis products may occur for all amino acids. [Studie]
Größe scheint damit wohl nicht alles zu sein. Doch die bessere Aufnahme von Dipeptiden durch den Darm ist noch nicht der einzige Unterschied.
Stabilität und Wechsel-Wirkungen von Aminosäuren
Gehen Stoffe eine Bindung untereinander ein, wird dadurch meist die Stabilität der einzelnen Bestandteile verbessert. Elektronen finden einen stabilen Partner und erhöhen damit die Menge an nötiger Energie, um beispielsweise oxidative Prozesse zu starten. Das Gleiche gilt auch für Aminosäuren und unter anderem sind aus diesem Grund unterschiedliche Aminosäuren weitaus schwerer zu denaturieren, wenn sie in gebundener Form vorliegen [3]. Manche Aminosäuren wie Methionin benötigen beispielsweise das Schilddrüsenhormon T3, um nach Oxidation wieder durch den Körper reduziert zu werden.
For example, L-glutamine (Gln) is heat labile while the dipeptide L-alanyl-L-glutamine (Ala-Gln) is much more tolerant to high temperature (Stehle et al. 1984; Roth et al. 1988). Solubility is another obvious example. Tyr is practically insoluble but Ala-Tyr can be dissolved up to 14 g/L (Furst 2001). It is interesting to point out that some dipeptides are much more soluble than each of the constitutive amino acids; the solubilities of Ala and Gln are 89 and 36 g/L, respectively, whereas that of Ala-Gln is 586 g/L (Furst 2001). […] Some dipeptides have unique functions which cannot be found in the constitutive amino acids. Dipeptides which have commercial applications based on their unique functions are listed in Table 1. [Studie]
Löslichkeiten in Wasser und Funktionen von Dipeptiden im Vergleich zu freien Aminosäuren sind ein weiteres spannendes Thema für Forschung und Medizin. Während Beta-Alanin und Histidin ihre eigenen Wirkungen erzielen können, bilden sie als Dipeptid Carnosin, welches für sich noch weitere Aufgaben im Körper besitzt. Damit ergibt sich ein ganz anderes Bild an möglichen Interaktionen im Körper, wenn es um Aminosäuren und ihre Verbindungen geht. Vor allem aber stellt sich durch die veränderte Stabilität und Löslichkeit eine besondere Frage: Könnten unsere Darmbakterien mit einzelnen freien Aminosäuren interagieren und eigentlich einen ganz anderen Effekt auf uns bewirken?
Aminosäuren, Bakterien und der Darm – was wir nicht wissen
Der Darm ist für uns in der heutigen Zeit noch ein ziemlich unbekannter und dunkler Ort. Bis zu einem gewissen Punkt können wir manche Dinge nur vermuten. Interessant dazu sind die Experimente zur Herstellung von Dipeptiden. Während man bislang häufig eine chemische oder enzymatische Herstellung verwendet hatte, wissen wir inzwischen, dass Bakterien selbst aus einzelnen Aminosäuren Di- oder Tripeptide produzieren können [4,5]. Dass solche Prozesse auch mit den freien Aminosäuren in unserem Darm ablaufen können, ist also durchaus wahrscheinlich. Denkbar wäre aber auch, dass unterschiedliche Bakterien im Darm unterschiedlichen Aminosäuren verstoffwechseln und dadurch möglicherweise unbekannte helfende oder sogar schädliche Produkte produzieren könnten [6]. In der Regel möchte man aber die teuer bezahlten Aminosäuren nicht an seine Bakterien verfüttern, sondern sie in den Blutkreislauf bringen. Vor allem, da wir nicht wirklich vorhersagen können, welche Peptidbindungen am Ende im Darm durch unsere Bakterien produziert werden. Daher scheinen auch hier Peptidbindungen eine bessere Lösung zu sein. Schlichtweg weil sie stabiler sind und schneller in den Blutkreislauf gelangen. Interessant sind aber auch Beobachtungen zu bestimmten Aminosäuren und ihren Auswirkungen auf unsere Darmgesundheit. Valin, Glutamin und Isoleucin haben unter anderem jeweils einen scheinbar signifikanten Einfluss auf unser Mikrobiom!
Zusammenfassung:
Di- oder Tripeptid Bindungen scheinen nicht nur leichter vom Darm aufgenommen zu werden. In der Regel sind sie stabiler, haben einen leichter vorhersagbaren Effekt und lösen sich besser in Wasser. Die Löslichkeit in Wasser könnte für sich schon vieles in der Biochemie des Körpers verändern. Da die meisten natürlichen Aminosäuren in Peptidverbindungen vorkommen, wäre allein aus diesem Grund wohl eine Versorgung mit Di- oder Tripeptiden eine Überlegung wert. Generell gilt jedoch für jegliche künstlich hergestellten Aminosäuren, dass ihre Produktion meist einen gewissen Grad an industrieller Verarbeitung benötigen. Die Wahrscheinlichkeit, dass Kontaminationen mit künstlichen Mitteln oder Schwermetallen in dem finalen Produkt zu finden sind, besteht in diesem Fall also auch noch [7]. Bisher war die Produktion von Peptidbindungen ein eher aufwändiger Prozess, der oft mit Zusatzkosten verbunden war. Da immer mehr Bakterienstämme entdeckt werden, die aus einzelnen Aminosäuren Verbindungen herstellen können, wäre möglicherweise bald ein neuer Trend auf dem Markt zu entdecken. Weg von einzelnen freien Aminosäuren, hin zu natürlichen Peptidbindungen mit spezifischen Kombinationen. Ob wir damit der Natur etwas näherkommen, bleibt jedoch offen. Wer weiß schon, was wir alles nicht wissen?
Quellenangabe:
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/7199810
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/9207295
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/18795289
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/20464389
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/18795289
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4060998/
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3178102/