Beta-Alanin: Wirkung, Verwendung und Nebenwirkungen
Auf einen Blick
- Beta-Alanin kann einige positive Effekte auf den Körper haben
- Beta-Alanin und Histidin sind die Grundbaustoffe für Carnosin, das selbst einige wichtige Funktionen erfüllt. Beta-Alanin ist dabei meist der limitierende Faktor
- Beta-Alanin kann Zellen unter Belastung dabei helfen, länger unter Stress optimal zu arbeiten
- Beta-Alanin kann durch seine strukturelle Ähnlichkeit zu GABA scheinbar den Körper dabei unterstützen, sich zu entspannen
- Da Beta-Alanin mit der Aufnahme von Taurin aus der Nahrung konkurriert, sollte man jedoch klug an eine geplante Dosierung herangehen
Beta-Alanin: Leistung, Entspannung, Puffer und Konkurrent
Auch wenn L-Alanin und Beta-Alanin sich im Namen ähneln, sind sie strukturell und damit auch in ihrer Funktion völlig unterschiedlich. Während L-Alanin primär neben der Verwendung als Baumaterial dem Körper als Not-Energiesubstrat dienen kann, ist Beta-Alanin vor allem im Sport als Supplement dafür bekannt, die Leistungsfähigkeit zu verbessern, den Muskelaufbau damit zu verbessern und vor Übersäuerung zu schützen [1,2]. Wie ist Beta-Alanin dazu aber eigentlich in der Lage? Wie wirkt es? Ist sie – obwohl nicht essentiell – trotzdem von Relevanz und gibt es mögliche Nebenwirkungen? Was hat das Ganze mit Carnosin und Taurin zu tun?
Beta-Alanin: Histidin und Carnosin
Bekannt ist, dass Beta-Alanin neben einigen spezifischen Eigenschaften vor allem als limitierender Faktor für die Produktion von Carnosin im Körper fungiert. Steht dem Körper also ausreichend Beta-Alanin zur Verfügung, kann ausreichend Carnosin im Körper produziert werden und Carnosin steht in der wissenschaftlichen Literatur – vor allem, wenn es um Sport und Leistung geht – recht hoch im Kurs:
Carnosine and related dipeptides such as anserine are naturally-occurring histidine-containing compounds. They are found in several tissues most notably in muscle where they represent an appreciable fraction of the total water-soluble nitrogen-containing compounds. The biological role of these dipeptides are conjectural but they are believed to act as cytosolic buffering agents. Numerous studies have demonstrated, both at the tissue and organelle level, that they possess strong and specific antioxidant properties. Carnosine and related dipeptides have been shown to prevent peroxidation of model membrane systems leading to the suggestion that they represent water-soluble counterparts to lipid-soluble antioxidants such as alpha-tocopherol in protecting cell membranes from oxidative damage. Other roles ascribed to these dipeptides include actions as neurotransmitters, modulation of enzymic activities and chelation of heavy metals. Many claims have been made in respect of therapeutic actions of carnosine and histidine-containing dipeptides. These include antihypertensive effects, actions as immunomodulating agents, wound healing and antineoplastic effects. [Studie]
Das ist eine ganze Liste an potentiell positiven Eigenschaften und natürlich wäre damit eine der ersten Fragen, warum man nicht gleich Carnosin statt Beta-Alanin zu sich nehmen sollte, beantwortet. Wie im Artikel zu Histidin bereits beschrieben, kann diese spezielle Aminosäure vom Körper in Histamin umgewandelt werden und so bei einigen Menschen zu unangenehmen Symptomen einer Histamin-Intoleranz führen. Damit ist schnell erklärt, warum unter Umständen die Verwendung einer Vorstufe für viele Menschen in dieser Hinsicht von Vorteil wäre. Man wäre dadurch in der Lage, das körpereigene Histidin vermehrt in Richtung der Carnosin-Synthese zu verschieben und verhindert gleichzeitig dadurch, dass der Körper durch die Zersetzung von Carnosin vermehrt Histidin im Körper freisetzt – denn die Synthese von Beta-Alanin und Histidin zu Carnosin geht auch in die entgegengesetzte Richtung.
Beta-Alanin: Laktat-Puffer für mehr Schutz und Leistung
Damit wäre zumindest geklärt, warum in mancher Hinsicht die Supplementierung von Beta-Alanin möglicherweise klüger wäre, als die Verwendung von Carnosin, wobei Carnosin auch noch viel teurer ist als Beta-Alanin. Histidin selbst ist, ebenso wie Histamin, keinesfalls schlecht, doch ist es einfacher mit der heutigen Ernährung einen Überschuss an Histidin im Körper zu generieren, als einen Mangel. Außerdem hat Beta-Alanin neben seiner Verwendung als Substrat für Carnosin selber spezifische Eigenschaften, die denen von Carnosin gar nicht so unähnlich sind: Es schützt vor einer zu hohen Laktat-Bildung in Zellen [3,4]. Damit kann es einen positiven Effekt auf unseren Stoffwechsel haben – vergleichbar mit Glycin, Lysin und unter Umständen mit Prolin.
Müssen Zellen Energie produzieren, läuft dieser Prozess unter normalen Umständen unter Sauerstoff ab. Ist die Belastung jedoch dauerhaft hoch, oder ist aus einem anderen Grund eine Zelle nicht in der Lage, Sauerstoff zur Bereitstellung zu verwenden, wechselt sie zur Produktion von Milchsäure und Laktat, was oft als Zeichen von Erschöpfung angesehen wird und im Sport gerne als “Übersäuerung“ eines Muskels bezeichnet wird. Generell kann Laktat auch als Zeichen zellulärer Erschöpfung gesehen werden und ist auch in der Krebsforschung ein bekanntes Produkt von entarteten Zellen. Beta-Alanin ist laut den Untersuchungen vieler Studien dazu in der Lage, die Produktion von Laktat in Zellen zu puffern und pH-Werte innerhalb der Zellen stabil zu halten. In etwa kann man sich als Beta-Alanin in Zellen in etwa wie eine Stütze vorstellen, die unsere kleinen Organismen davor schützt, zusammenzubrechen.
Beta-Alanine is a rate-limiting precursor for synthesis of the dipeptide carnosine (β-alanyl-l-histidine), which is produced within and stored in high concentrations in skeletal muscle, heart and olfactory receptor neurons.1 2 β-Alanine supplementation has been shown to boost the carnosine content of skeletal muscle.3 […] Most studies with supplemental β-alanine have focused on skeletal muscle and athletic performance; many studies have concluded that β-alanine supplementation can both boost muscle carnosine content and aid performance in high-intensity anaerobic workouts in which lactic acid is generated, presumably by preventing counterproductive reductions in intracellular pH.3 [Studie]
β-alanine significantly enhanced expression of myocyte enhancer factor 2 (MEF-2) leading to increased glucose transporter 4 (GLUT4) content. […] β-alanine appears to increase cellular oxygen consumption as well as the expression of several cellular proteins associated with improved oxidative metabolism, suggesting β-alanine supplementation may provide additional metabolic benefit (although these observations require in vivo experimental verification). [Studie]
Grundsätzlich sollte daran gedacht werden, dass Milchsäure und Laktat auch in Krankheiten eine Rolle spielen und ein Zeichen für zelluläre Energie-Probleme sein können. Solange eine gesunde Zelle die Möglichkeit hat, wird sie stets Energie unter der Verwendung von Sauerstoff bevorzugen. Ein Mittel, dass solchen gestressten Zellen dabei hilft, stabil zu bleiben und als pH-Puffer dienen kann, wäre also durchaus von möglicher therapeutischer Bedeutung. Doch die Geschichte zu Beta-Alanin ist noch lange nicht zu Ende!
Beta-Alanin: Entspannende Wirkung wie GABA
Im Artikel zu Glutamin hatten wir bereits über den zentral anregenden Neurotransmitter Glutamat und seinen entspannenden “Gegenspieler“ GABA berichtet. Hierbei wurde unter anderem durch Studien deutlich, dass die Konzentration von GABA und Glutamat davon abzuhängen schien, in welcher Situation sich der Körper befindet (Schwermetall-Belastung, Sauerstoff- und Stickstofftoxizität). Neben GABA gibt es aber noch andere – strukturell ähnliche – Substanzen, die vergleichbare entspannende Effekte auf uns besitzen können und so einem (möglicherweise emotional) gestressten Menschen bei der Entspannung unterstützen können. Neben weiteren Peptiden wie Taurin und Glycin, scheint Beta-Alanin ebenso dazu in der Lage zu sein, Stresspegel zu reduzieren.
A synthetic molecule structurally similar to those natural inhibitory “transmitters,” beta amino propanoic acid, has some of the protective effects of glycine and GABA. The other molecules in the series, at least up to epsilon amino caproic acid, have some of the same antiinvasive, antiinflammatory, anti-angiogenic, properties. Alanine and proline, with cell-protecting actions, have the same basic composition, carbon (CH2 or CH) atoms separating acid and amino groups. […] In the context of the excitatory actions of estrogen, and the inhibitory action of glycine, it would be reasonable to think of glycine as one of the antiestrogenic substances. Another type of amino acid, taurine, is structurally similar to glycine (and to beta amino propanoic acid, and to GABA), and it can be thought of as antiestrogenic in this context. [Artikel]
Taurine and beta-alanine responses were partially inhibited by the GABA antagonist, bicuculline, and also by the glycine antagonist, strychnine. The results suggest that the taurine or the beta-alanine response in the brain is caused through both the GABA receptor and the glycine receptor. [Studie]
Interessant war in dieser Hinsicht übrigens auch, dass bei Mäusen unter Stress potentiell positive adaptive Marker wie BDNF anstiegen und belastende Anzeichen in Arealen des Gehirns (Hippocampus und Hypothalamus) geringer waren, wenn sie im Vorfeld mit höheren Dosierungen an Beta-Alanin versorgt wurden [5].
Abgesehen davon, dass sowohl Stimulierung und Entspannung ihre Balance besitzen sollten, sind solche Funde in der heutigen gestressten Zeit voller Deadlines und Reizüberflutung von gewaltigem Wert! Chronischer Stress, emotionale Belastungen und andere Belastungen sind allesamt dazu in der Lage, uns konstant auf einem (über-)stimulierten Level zu halten, wie im Artikel zu Glutamin bereits beschrieben. Dass Aminosäuren eine Möglichkeit zu bieten scheinen, einen solchen Zustand etwas zu lindern, ist eigentlich Gold wert, oder?
Beta-Alanin: Nebenwirkungen, Taurin und Dosierung
Nebenwirkungen zu Beta-Alanin sind eigentlich nicht vorhanden. Bis dato sind Anzeichen von Parästhesien (Kribbeln) die einzige bekannte Nebenwirkung [6]. Relevanter wäre jedoch eher eine andere Wechselwirkung, denn Beta-Alanin kann die Aufnahme und die generelle Menge an Taurin im Körper reduzieren, da beide Eiweiße die gleichen enzymatischen Transporter zu verwenden scheinen. Experimentell wurde dabei bei Mäusen nachgewiesen, dass eine erhöhte Zufuhr an Beta-Alanin tatsächlich den Taurin-Stoffwechsel zu beeinflussen schien [7].
Taurine serves a wide variety of functions in the central nervous system, from development to cytoprotection, and taurine deficiency is associated with cardiomyopathy, renal dysfunction, developmental abnormalities, and severe damage to retinal neurons. All ocular tissues contain taurine, and quantitative analysis of ocular tissue extracts of the rat eye revealed that taurine was the most abundant amino acid in the retina, vitreous, lens, cornea, iris, and ciliary body. In the retina, taurine is critical for photoreceptor development and acts as a cytoprotectant against stress-related neuronal damage and other pathological conditions. [Studie]
Aus diesem Grund und da Beta-Alanin sowohl einen Effekt auf Glutamat/GABA, Histidin und Histamin-Stoffwechsel, Milchsäure und Laktat-Produktion und Taurin und Cystein-Metabolismus zu haben scheint, sollte man trotz der geringen Daten über Nebenwirkungen mit Beta-Alanin bedacht umgehen. Unter Sportlern wird oft Beta-Alanin (oder Carnosin) über etwa 4-6 Wochen “aufgeladen“, indem täglich 4-6 Gramm als Nahrungsergänzungsmittel zugeführt und im Anschluss wieder über mehrere Wochen abgesetzt werden [8]. Pro Einnahmezeitpunkt sollten nicht mehr wie 800mg eingenommen werden, da sonst erfahrungsgemäß die Nebenwirkungen wie Kribblen auftauchen/zunehmen. Der Abstand zwischen den Einnahmen sollte 2 bis 4 Stunden betragen. Meist werden hier aber auch noch andere Aminosäuren wie Leucin, Isoleucin, Lysin, Valin, Glycin, Tyrosin und Beta-Alanin verwendet.
The supplementation strategy for beta-alanine is important to maximize its effects. To date, research suggests that beta-alanine requires a chronic loading dose of 4 to 6 g daily in divided doses of 2 g or less, for a minimum of two weeks (which results in a 20-30 % increase in muscle carnosine concentrations) [4], with greater benefits seen after 4 weeks (40-60 % increase) [19, 39]. To increase muscle carnosine, a larger dose of 6 g, divided into 4 equal doses would be more advantageous. Additionally, if supplementing with a non-time release version, consuming a total daily dose of 6 g would be important for augmenting muscle carnosine [40]. [Studie]
Eine weniger leistungsspezifische Herangehensweise wäre jedoch vermutlich, täglich kleinere Dosierungen von etwas mehr als ein bis zwei Gramm zu sich zu nehmen, abhängig natürlich von möglichen individuellen Mangelzuständen, wie es bei Veganern denkbar wäre. Etwas, was man im Körper “laden“ kann, sollte stets mit etwas Feingefühl angegangen werden, denn das bedeutet auch, dass sich etwas bei überschwänglicher Einnahme “anstauen“ kann.
Quellenangabe:
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3429803/
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3374095/
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4189254/
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4977905/
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/25758106
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4501114/
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/19239161
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4501114/