Glycin: Essentielle Wirkungen und Funktionen
Auf einen Blick
- Während wir Glycin zu einem Teil selber herstellen können, scheint doch ein offensichtlicher Mangel in der Bevölkerung zu entstehen
- Glycin hat zentrale Aufgaben für den Aufbau und Erhalt von Knochen, Sehnen und Bändern, die nur schlecht durch andere Aminosäuren übernommen werden kann
- Glycin scheint schützend vor bakteriellen Belastungen und Endotoxinen zu schützen
- Glycin reguliert den Calcium-Haushalt im Körper und sorgt dadurch nicht nur für eine bessere Calcium-Bilanz im Körper. Da Calcium viel mit der Stimulierung von Zellen zu tun hat, kann Glycin vor einer Überstimulierung und damit verbundenen Symptomen schützen. Das macht Glycin insbesondere in der heutigen Zeit sehr wertvoll!
Glycin: Eine essentielle semi-essentielle Aminosäure?
Basierend auf dem, was wir über bestimmte Aminosäuren und ihre Wirkung lernen und ob sie vom Körper selber produziert werden können, oder nicht, werden sie als essentiell, semi-essentiell oder nicht essentiell eingeteilt. Damit wird durch das Wort “essentiell“ also nicht die Wichtigkeit einer Aminosäure beschrieben, sondern in der Regel nur die Unfähigkeit des Körpers, eine solche Aminosäure von selbst zu produzieren. Es ist also essentiell für uns, einen solchen Stoff aus Nahrungsmitteln zu erhalten. Dadurch ist eine solche Aminosäure aber nicht unbedingt wichtiger als andere.
Oft sind semi-essentielle Aminosäuren mehr von Interesse, da sie unter bestimmten Umständen – beispielsweise unter hoher Belastung – vom Körper vermehrt benötigt werden und der Körper mit seiner eigenen Produktion, dem tatsächlichen Bedarf, nicht mehr hinterherkommt. Vor allem aber bedeutet ein solcher Zusammenhang, dass bestimmte Proteine wichtige Aufgaben unter gewissen Umständen erhalten. Neben Aminosäuren wie Glutamin, Prolin Beta-Alanin und Cystein ist Glycin dafür ein ausgezeichnetes Beispiel und zeigte in vielen Jahren der Forschung beeindruckende Effekte als schützender und beruhigender Wirkstoff.
Glycin: Produktion und Bedarf
Glycin ist essentiell wichtig für die Produktion von Kollagen in unserem Körper. Neben Knochen spielen beim Thema Festigkeit vor allem eine große Anzahl an unterschiedlichen Bändern, Sehnen und anderen faserigen Bindegeweben eine extrem wichtige Rolle. Alle diese Gewebe bestehen aus Kollagen. Damit wird schon jetzt deutlich, dass für Muskelaufbau nicht nur „essentielle“ Aminosäuren wie Valin, Leucin, Lysin und Isoleucin von Relevanz sind.
Collagen ist das Protein, welches charakteristisch für Tiere ist, denn es ermöglicht die Flexibilität und das Zusammenwirken von großen Zellverbänden. Collagen verbindet die Zellen untereinander […] und es ist der wichtigste Proteinbestandteil der Knochenmatrix. Es ist das am häufigsten vorkommende Protein im menschlichen Körper, da es etwa ein Drittel des gesamten Proteingehaltes ausmacht. Damit Collagen seine charakteristische Struktur formen kann, muss Glycin in der Aminosäurekette an jeder dritten Position eingebaut werden [17]. Somit stellt Glycin also etwa ein Drittel aller Aminosäuren im Collagen dar. Bei der Erbkrankheit Osteogenesis Imperfecta (Glasknochenkrankheit) wird anstelle des Glycins eine andere, größere Aminosäure eingebaut. Das führt zu einer verminderten Collagensynthese und so zu einer Instabilität der Knochen und einem erhöhten Frakturrisiko. [Artikel]
Bereits 1982 wurde in Japan eine Studie durchgeführt, die zeigen konnte, wie wichtig Knochen, Kollagen und Wasser in Bezug auf die elektrischen Eigenschaften des Körpers sind [1]. Das Zusammenspiel dieser drei Komponenten zeigte eine extreme Potenzierung piezoelektrischer Eigenschaften und damit der Fähigkeit des Körpers, elektrische Signale effektiv zu produzieren und weiterzuleiten. Die Übertragung und der reibungslose Ablauf elektrischer Signale im Körper ist dabei etwas so Fundamentales, dass solche Entdeckungen oft in ihrer Bedeutung unterschätzt werden. Elektrische Signale spielen nicht nur bei der allgemein bekannten Nervenarbeit eine tragende Rolle. Jegliche biochemischen Reaktionen und die generelle Basis jeglicher Chemie steht schließlich auf dem Fundament der (Bio-)Physik und steckt dadurch mit positiven und negativen Ladungen unter einer ziemlich spannenden Decke. Wenn Kollagen aber so wichtig ist und Glycin an jeder dritten Stelle einer solchen Proteinstruktur vom Körper eingearbeitet werden muss, stellt sich folgende Frage: Decken wir in der heutigen Zeit unseren Bedarf an Glycin, oder besteht hier ein Mangel?
Laut den Berechnungen von Meléndez-Hevia et al. benötigen wir jeden Tag in etwa 10 Gramm Glycin oder mehr aus unserer Nahrung, um den täglichen Bedarf unseres Körpers an dieser Aminosäure zu decken [2]. Glycin bzw. Glycin-haltige Proteine sind jedoch vor allem in Knochen, Sehnen und Bändern von Tieren zu finden und damit selten Bestandteil der heutigen Ernährung. Während auf der Welt jeden Tag eine große Menge an Fleisch zu sich genommen wird, sind festere Bestandteile wie Sehnen, Bänder und Knochenbrühen selten auf dem Speiseplan. Andere Glycin-haltige Nahrungsmittel wären Walnüsse und Reis, jedoch sind in beiden keine nennenswerten Eiweißmengen enthalten und dadurch eine Ausbeute im Generellen sehr gering. Während unser Körper also von selber einige Gramm (in etwa 3 Gramm täglich) herstellen kann, lägen wir damit bei einem Defizit von etwa 8 Gramm pro Tag und das wäre doch ein ziemliches Problem, oder? Wie haben wir es überhaupt bis heute durchgehalten?
Genaue Erklärungen sind bis heute nicht in Stein gemeißelt und neben der Vermutung, dass die Folgen einer Glycin-armen Ernährung sich erst im späten Alter bemerkbar machen könnten, wird auf der anderen Seite nach Methoden des Körpers gesucht, mit denen er einen solchen Mangel möglicherweise ausgleichen kann. Auch wäre denkbar, dass sich die Qualität vieler Nahrungsmittel über die Jahre durch Haltung und Erzeugung (Massentierhaltung als Beispiel) so drastisch reduziert habe, dass dadurch erst jetzt ein so signifikantes Defizit hat bilden können [2]. Mehr zu diesem Thema ist in diesem Artikel zu finden. Auch Glyphosat spielt in diesem Zusammenhang eine Rolle, da es bei Proteinstrukturen anstelle des Glycins vom Körper laut Studien eingebaut werden kann und dadurch die Funktion unterschiedlicher Enzyme beeinträchtigen kann [3]. Manche Bakterien können außerdem aus unterschiedlichen Gründen in ihren Proteinen das Glycin durch ein Alanin austauschen, um adaptiv auf bestimmte Stressoren zu reagieren. Auch das könnte ein Hinweis darauf sein, wie vielleicht auch unser Körper auf einem Glycin-Mangel reagiert.
Glycin: Wirkung, Schutz und Entspannung
Wie wirkt aber Glycin und gibt es überhaupt Nebenwirkungen? Grundsätzlich beschrieben scheint es stark protektive und entspannende Eigenschaften auf den Körper zu haben. Dies zeigt sich neben einigen Daten zur Reduktion von entzündlichen Signalen vor allem in der Regulation des Calcium-Einstroms in Zellen [4]. Calcium selbst ist ein zellulärer Aktivator, wenn es in Zellen geschleust wird und steht im Zusammenhang mit Stress, Zelltod und einer generellen Belastung des Zellmetabolismus, sollte ein solcher Zustand über Dauer bestehen bleiben [5,6]. Damit wäre auch denkbar, dass Glycin einen signifikanten Einfluss auf eine Umwandlungsrate von Glutamin zu Glutamat im Körper haben könnte (Siehe Artikel zu Glutamin). Auch Effekte auf die Regulierung des Immunsystems konnten beobachtet werden, was unter Umständen bei unterschiedlichen Krankheiten und therapeutischen Ansätzen in Betracht gezogen werden kann [7].
Thurman and coworkers were the first to suggest that glycine protects from ischaemia–reperfusion injury by inhibiting activation of macrophages and other cells of the immune system and thus the inflammatory response. [Studie]
Fraglich wäre dabei, ob Glycin eine rein unterdrückende Wirkung auf das Immunsystem hat, ab wann eine solche Behauptung zutrifft und ob solche Befunde nicht unter anderem bei Personen mit einer bereits bestehenden Immunschwäche von Nachteil sein könnte. Auch sollte man in dieser Hinsicht überlegen, ob es einen Unterschied in der Wirkung von Glycin gibt, abhängig vom jeweiligen Mangel und Bedarf einer Person. Oft macht schließlich die Menge das Gift und ein Immunsystem wird selten durch eine einzelne Aminosäure im Negativen so stark beeinflusst, dass es in seiner Leistung zusammenbricht.
Glycine neither decreased mortality nor beneficially affected vital parameters (e.g., mean arterial blood pressure and breathing rate), electrolytes, blood gases including pH and base excess, and plasma parameters of tissue injury such as lactate concentration, hemolysis, and aminotransferases activities during experimental endotoxemia. It, however, specifically diminished the LPS-induced small intestinal injury, as indicated by less intestinal accumulation of blood, less intestinal hemorrhages, and reduced intestinal hemoglobin content. [Studie]
Ganz davon zu schweigen, dass ein Mensch mit etwa 80 Kilogramm Gewicht mehr als 200 Gramm reines Glycin auf einmal zu sich nehmen müsste, um überhaupt potentiell negative Effekte zu bewirken [8]. Besitzt ein Wirkstoff einen regulierenden Effekt auf Calcium und schützt es vor stressbedingtem Zelltod, sind viele weitere Effekte möglich. Unter anderem wurde in diesem Zusammenhang auch ein positiver Effekt von Glycin auf Schlafqualität, Blutzucker, Blutdruck und Gedächtnisleistung festgestellt [4,9,10].
Glycin: Zusammenfassung – essentielle semi-essentielle Mangelware
Bedenklich ist die Möglichkeit in der heutigen Zeit durch gewöhnliche Nahrungsmittel seinen Bedarf an Glycin, basierend auf bestehenden Arbeiten, überhaupt zu decken. Fast würde es schon so aussehen, als dass wir inzwischen darauf angewiesen zu sein scheinen, Glycin zu supplementieren. Zumindest sind die Effekte von Glycin durchaus positiv und scheinen eine deutliche Tendenz in Richtung Zellschutz und Entspannung zu besitzen. Damit ist Glycin, unabhängig von jeglicher Diskussion über den Bedarf, interessant für Menschen, die sich in einem stressigen Alltag wiederfinden. Regulative Effekte auf das Immunsystem und entzündliche Prozesse weisen ebenfalls darauf hin, Glycin als potentiell therapeutisches Mittel in Betracht zu ziehen. Ungeachtet der Tatsache, wie wichtig Glycin für die Synthese von Kollagen und straffem Bindegewebe ist. Der extrem hohe toxische Schwellenwert macht Glycin umso attraktiver!
Quellenangabe:
- https://onlinelibrary.wiley.com/doi/pdf/10.1002/bip.360211010
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/20093739
- http://yourfunctionalmedicine.com/glyphosat-massenpflanzenhaltung-teil-1/
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/12589194
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/11841831
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4556774/
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3413844/
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/24526813
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/12450897
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/16444815